1 Leitsätze
Können bei der Einberufung einer Eigentümerversammlung die Vorgaben einer aktuellen Corona-Schutzverordnung eingehalten werden, besteht kein Anlass, die Eigentümerversammlung nicht abzuhalten.
Ein Einladungsschreiben, in dem darauf hingewiesen wird, eine Versammlung solle "im Vollmachtsverfahren" stattfinden, das Büro des Verwalters sei für Publikumsverkehr geschlossen, Versammlungen mit Erscheinen der Wohnungseigentümer könnten wegen der Kontaktsperre bzw. der Abstandsregelungen nicht stattfinden und in der die Adressaten der Einladung unmissverständlich gebeten werden, nicht persönlich zur Eigentümerversammlung zu erscheinen, sondern eine Vollmacht an den Verwalter zu erteilen und ihr Stimmrecht schriftlich auszuüben, stellt im Ergebnis eine "Ausladung" der Wohnungseigentümer dar.
2 Normenkette
§§ 21, 23, 24 WEG; §§ 935ff. ZPO
3 Das Problem
Verwalter V lädt mit Schreiben vom 6.5.2020 zu einer "Eigentümerversammlung im Vollmachtsverfahren" am 21.5.2020 in sein Büro ein. In dem Einladungsschreiben wird darauf hingewiesen, dass wegen der COVID-19-Pandemie das Büro für den Publikumsverkehr geschlossen sei und Versammlungen mit Anwesenheit wegen der Kontaktsperre nicht stattfinden könnten. V fordert die Wohnungseigentümer auf, ihm Verwaltervollmacht zu erteilen und auf einem beigefügten Protokoll ihre Abstimmungswünsche anzukreuzen. Weiter heißt es in dem Einladungsschreiben: "Bitte erscheinen Sie nicht persönlich zur Eigentümerversammlung." In der Versammlung ist danach nur der Verwalter anwesend. 3 Wohnungseigentümer, die einen Stimmanteil von 600/1.000 Miteigentumsanteilen innehaben, hatten ihm Vollmacht erteilt und ihre Abstimmungswünsche mitgeteilt. V fasst entsprechende Beschlüsse. Gegen diese geht Wohnungseigentümer K vor, weil er sämtliche Beschlüsse wegen Verstoßes gegen sein Teilnahmerecht für unwirksam bzw. nichtig hält.
4 Die Entscheidung
Das AG sieht das auch so! Den Wohnungseigentümern sei durch die Form der Ladung eine Teilnahme an der Eigentümerversammlung letztlich verwehrt worden. Das Einladungsschreiben stelle sich im Ergebnis als "Ausladung" dar. Dem stehe nicht entgegen, dass ein ausdrückliches Verbot der Teilnahme nicht formuliert worden sei. Aus der Gesamtschau hätten die Wohnungseigentümer annehmen dürfen, dass sie an der Versammlung nicht teilnehmen können, da diese im Büro des Verwalters stattgefunden habe und dieses "für den Publikumsverkehr" geschlossen gewesen sei. Diese Form der Einladung verletzte die Wohnungseigentümer im Kernbereich ihrer Rechte, nämlich dem Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung und Ausübung des Stimmrechts.
Hinweis
Der Fall liegt ähnlich wie der ebenfalls besprochene des AG Kassel, Urteil v 27.8.2020, 800 C 2563/20. Er ist allerdings "krasser": Hier wollte der Verwalter keinen Wohnungseigentümer sehen. So geht es natürlich nicht.
5 Entscheidung
AG Lemgo, Urteil v. 24.8.2020, 16 C 10/20