1 Leitsatz

Heißt es in der Gemeinschaftsordnung "jeder" Wohnungseigentümer kann eine Einberufung verlangen, bedeutet dies nicht, dass jeder hierzu ermächtigt ist. Auch aus § 24 Abs. 2 WEG folgt kein Recht, eine Versammlung einzuberufen.

2 Normenkette

§ 24 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K klagt vor dem 1.12.2020 noch gegen die anderen Wohnungseigentümer mit dem Antrag, ihn zu ermächtigen, eine Versammlung einzuberufen. Im frühen ersten Termin beantragen die Beklagten, die Klage abzuweisen.

Später schließen die Parteien einen Vergleich. Dort erklären sie den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt und unterwerfen sich hinsichtlich der Kosten einer Entscheidung gem. § 91a ZPO. Das AG legt den beklagten Wohnungseigentümern die Kosten auf. Gegen diese Entscheidung legen diese eine sofortige Beschwerde ein. Sie meinen, die Klage sei wegen der Gewohnheiten in der Wohnungseigentumsanlage überflüssig gewesen.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Zwar habe nach der Gemeinschaftsordnung jeder Wohnungseigentümer das Recht, eine Einberufung der Versammlung zu verlangen. Dadurch sei aber nur das Quorum des § 24 Abs. 2 WEG reduziert worden. Aus § 24 Abs. 2 WEG folge aber kein Recht zugunsten des dort vorgesehenen Quorums, eine Versammlung einzuberufen. Eine § 50 Abs. 3 GmbHG entsprechende Regelung kenne das WEG nicht. Ein Wohnungseigentümer habe ohne eine Ermächtigung i. S. v. § 24 Abs. 3 WEG – und wenn nichts anderes vereinbart sei – ferner auch im Übrigen kein Einberufungsrecht. In der Wohnungseigentumsanlage könne diese Frage bislang zwar anderes gehandhabt worden sein. Eine Veränderung der Gemeinschaftsordnung durch "gelebte Praxis", Rechtsbrauch oder gar Gewohnheitsrecht komme aber schon aus Transparenzgründen nicht in Betracht. Die Klage sei daher zulässig und begründet gewesen. Die Beklagten hätten den Antrag auch nicht i. S. v. § 93 ZPO sofort anerkannt. Außerdem hätten sie Anlass zur Klagerhebung gegeben: K habe annehmen müssen, ohne Anrufung des Gerichts sein Ziel nicht zu erreichen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Der Fall beleuchtet im Kern die Frage, wie die Wohnungseigentümer die Ladung zu einer Versammlung organisieren können, wenn es keinen Verwalter gibt.

Einberufungsverlangen

Ein Einberufungsverlangen nach § 24 Abs. 2 WEG hilft nicht, da es dem Verlangenden kein Recht zur Einberufung gibt.

Einberufung durch Verwaltungsbeiräte oder ermächtigte Wohnungseigentümer

Eine Hilfe ist hingegen § 24 Abs. 3 WEG – wenn es Verwaltungsbeiräte oder ermächtigte Wohnungseigentümer gibt.

Universalversammlung

Im Übrigen ist eine Universalversammlung möglich, die formale Mängel beheben kann. Auf eine solche kann ein Wohnungseigentümer hinsichtlich der Kosten eines ansonsten notwendigen Prozesses auch spekulieren (in der Wohnungseigentumsanlage war es in der Vergangenheit wohl so). Ein Wohnungseigentümer kann aber nicht darauf verwiesen werden, diesen unsicheren Weg zu gehen.

Beschlussersetzungsklage

Im aktuellen Recht wäre eine Beschlussersetzungsklage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer würde bei der Klage von den Wohnungseigentümern vertreten werden, die ihr nicht als Kläger gegenüberstehen. Die Klage könnte jedem Wohnungseigentümer zugestellt werden. Dieser könnte sich aber wegen § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG nicht für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erklären. Er könnte der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aber als Streithelfer beitreten und dann alle notwendigen Erklärungen abgeben.

Regelungsverfügung

Ist eine Einberufung eilig, kann nach §§ 935, 940 ZPO eine Regelungsverfügung verlangt werden. Es ist sogar ratsam, diesen Antrag zu stellen, da naheliegend ist, dass ein entsprechendes Urteil erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam ist. Voraussetzung für eine Regelungsverfügung ist allerdings, dass für diesen Weg ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.

Ein Rechtsschutzbedürfnis ist ggf. zu verneinen, wenn plausibel ist, dass die Wohnungseigentümer zu einer Universalversammlung zusammenkommen. Weiterhin unklar ist außerdem, ob ein Wohnungseigentümer unter Inanspruchnahme seines Notgeschäftsführungsrechts nach § 18 Abs. 3 WEG einberufen könnte. Dass eine solche, eine Gefahr abwendende Maßnahme gerade in der Ladung zu einer Versammlung besteht, ist nach h. M. aber bislang abzulehnen.

6 Entscheidung

LG Karlsruhe, Beschluss v. 12.9.2022, 11 T 17/22

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