1 Leitsatz

Ist vereinbart, dass nur der wirksam bestellte und amtierende Verwalter eine Versammlung einberufen darf und die Versammlung ansonsten beschlussunfähig ist, sind dennoch gefasste Beschlüsse auf eine Anfechtung hin ohne Weiteres für ungültig zu erklären.

2 Normenkette

§ 24 Abs. 1 WEG

3 Das Problem

In der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1973 heißt es u. a. wie folgt: "Versammlungen können nur durch den Verwalter einberufen werden. … Eine nicht vom Verwalter einberufene Versammlung ist beschlussunfähig, soweit es sich nicht um eine Universalversammlung handelt." Ende 2017 endet die Bestellung von Verwalter V. Dennoch beruft V für den Mai 2018 eine Versammlung ein. Wohnungseigentümer K meint, die Versammlung sei nicht beschlussfähig gewesen und greift die dort gefassten Beschlüsse an.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Nach der Gemeinschaftsordnung sei die Versammlung beschlussunfähig gewesen. Auf die Frage, ob sich ein Beschlussmangel auf das Beschlussergebnis ausgewirkt habe, komme es nicht an. Verwalter i. S. d. Gemeinschaftsordnung sei nur der aktuell wirksam bestellte Verwalter. Lade nicht dieser ein, sei die Versammlung nach der Gemeinschaftsordnung beschlussunfähig. Würde man dies anders sehen, änderte sich allerdings nichts. Denn die Kausalität werde bei Vorliegen eines formellen Fehlers widerlegbar vermutet und die Anfechtungsgegner hätten darzulegen und zu beweisen, dass der Fehler folgenlos war. Es müsse Sicherheit herrschen, dass der Beschluss auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen ebenso gefasst worden wäre, d. h. die Möglichkeit der Kausalität dürfe nicht nur unwahrscheinlich sein, sondern bei vernünftiger Betrachtung unter keinen Umständen in Betracht kommen. Unzureichend sei demzufolge der Vortrag, dass der Anfechtungskläger bei Teilnahme an der Versammlung ohnehin überstimmt worden wäre. Denn es könne regelmäßig gerade nicht ausgeschlossen werden, dass der Anfechtungskläger andere Wohnungseigentümer auf der Versammlung von seiner Sichtweise hätte überzeugen können.

Hinweis

  1. Nach § 24 Abs. 1 WEG ist die Versammlung der Wohnungseigentümer von dem Verwalter als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mindestens einmal im Jahr einzuberufen. Fehlt ein Verwalter oder weigert er sich pflichtwidrig, die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen, so kann die Versammlung auch, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, von dessen Vorsitzendem oder seinem Vertreter einberufen werden (§ 24 Abs. 3 WEG). Verstöße gegen diese gesetzlichen Vorgaben werden allgemein als formelle Beschlussmängel angesehen. Wird die Versammlung durch einen faktischen Verwalter bzw. Scheinverwalter einberufen, dessen Bestellungszeit abgelaufen ist, liegt eine wirksame Eigentümerversammlung vor, die allerdings an einem Einberufungsmangel leidet. Die Kausalität zwischen dem formellen Beschlussfehler und dem Beschlussergebnis wird dabei widerlegbar vermutet. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Mangel keinen Einfluss auf das Beschlussergebnis hatte.
  2. Auf diese Grundsätze konnte aber nicht zurückgegriffen werden. Die Regelungen des § 24 WEG sind nämlich durch Vereinbarung abdingbar und wurden im Fall nach Auslegung des LG auch wirksam einer speziellen Regelung zugeführt, die eine andere Rechtsfolge vorsieht.

5 Entscheidung

LG Frankfurt a. M., Urteil v. 24.8.2020, 2-09 S 55/19

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