1 Leitsatz
Die Verwaltung darf in einem Einberufungsschreiben nicht den Eindruck erwecken, ein Wohnungseigentümer könne sich nur durch die Verwaltungsbeiräte in der Versammlung vertreten lassen. Dies ist der Fall, wenn der Einberufung ein Formular beigefügt wird, mit dem ein Wohnungseigentümer nur die Verwaltungsbeiräte bevollmächtigen kann.
2 Normenkette
§§ 23 Abs. 3, 24 Abs. 1, 25 Abs. 3, 28 Abs. 5 WEG a. F.
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer genehmigen im November 2019 zu TOP 3 die Jahresabrechnung für das Jahr 2018. Ferner beschließen sie zu TOP 9, eine Befahranlage an der Ost-, Süd- und Westseite des Hochhauses "gem. Angebot vom 27.11.2019 der X-GmbH" abbauen zu lassen (Befahranlagen dienen u. a. der Reinigung und Wartung von Dachoberlichtern, Fassaden und Lüftungsanlagen und den damit verbundenen Flächen.). So geschieht es.
Gegen die Beschlüsse geht Wohnungseigentümer K vor. Das AG erklärt die Beschlüsse wegen eines formalen Beschlussmangels für ungültig. Denn der Einladung sei kein "Blankovollmachtsformular" beigeheftet gewesen, sondern ein Formular, mit dem ein Wohnungseigentümer nur die Verwaltungsbeiräte bevollmächtigen konnte. Dies habe den unzutreffenden Eindruck erweckt, es bestehe eine entsprechende Beschränkung. Hiergegen richtet sich die Berufung. Die beklagten Wohnungseigentümer meinen, im Einladungsschreiben sei lediglich empfohlen und gebeten worden, sich vertreten zu lassen und den beiliegenden Vordruck zu verwenden. Jeder Wohnungseigentümer habe durch einen Blick in die Gemeinschaftsordnung feststellen können, wer als Vertreter in Betracht komme. K habe dies beispielsweise auch erkannt und sich einen anderen Vertreter genommen.
4 Die Entscheidung
Das LG meint mit dem AG, die Einberufung sei fehlerhaft gewesen! In einer Einberufung müsse zwar nicht auf eine Vertretungsmöglichkeit oder einen Stimmrechtsausschluss hingewiesen werden. Gebe die Verwaltung aber einen Hinweis, müsse die Regelung zur Vertretung oder zum Stimmrechtsausschluss zutreffend wiedergegeben werden. Dies sei nicht der Fall gewesen. Die Wohnungseigentümer hätten die Einberufung so verstehen müssen, dass sie nur die Verwaltungsbeiräte hätten bevollmächtigen können.
Dennoch habe die Klage keinen Erfolg. Denn der Kläger hätte darlegen müssen, dass sich dieser Ladungsmangel auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt habe (Hinweis u. a. auf LG München I, Urteil v. 10.10.2018, 1 S 2806/18, ZMR 2019 S. 297). Ferner hätte der Kläger darlegen müssen, wie er sich ohne den Ladungsmangel verhalten hätte, beispielsweise, dass er nur wegen des verspäteten Zugangs der Einladung nicht an der Versammlung teilnehmen konnte, welche weiteren Vorbereitungsmaßnahmen er bei ordnungsmäßiger Beschlussankündigung noch hätte einholen wollen oder auch, welche Argumente er angesichts eindeutiger Mehrheitsverhältnisse gegen die Entscheidung der Mehrheit hätte geltend machen wollen (Hinweis u. a. auf MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl., WEG § 23 Rn. 71). K hätte zur Schlüssigkeit der Klage also zumindest vortragen müssen, dass ein Ladungsmangel vorliege, (jedenfalls) ein anderer Wohnungseigentümer zur Versammlung nicht erschienen sei und keinen Vertreter entsendet habe und einen Vertreter geschickt hätte, wenn er ordnungsmäßig, also unter korrekter Angabe der Vertretungsmöglichkeiten, eingeladen worden wäre.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall lädt eine Verwaltung zu einer Versammlung. Als "Serviceleistung" ermöglicht die Verwaltung es den Wohnungseigentümern, den Verwaltungsbeiräten eine Vollmacht zu erteilen, wenn die Wohnungseigentümer nicht selbst an der Versammlung teilnehmen wollen. Die Wohnungseigentümer streiten darüber, ob die Verwaltung die Wohnungseigentümer durch die "Serviceleistung" in die Irre geführt hat.
Einladungsschreiben und Vollmachten
AG und LG meinen, die "Serviceleistung" der Verwaltung sei in ihrer Form verfehlt gewesen. Die Wohnungseigentümer hätten darüber informiert werden müssen, dass sie nicht nur den Verwaltungsbeiräten nach einer Vertreterklausel eine Vollmacht hätten erteilen können, sondern letztlich jedermann. Ich selbst finde diese Haltung wenig überzeugend. Sie sollte jede Verwaltung aber davor warnen, ähnlich wie diese Verwaltung vorzugehen!
Formaler Ladungsmangel und "Beruhen"
Das LG meint, es sei am Kläger gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass sich der Ladungsmangel auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt habe. Auch diese Haltung überzeugt bislang nicht. Sie wird auch nicht durch die Fundstelle, die das LG angibt, belegt. Im Gegenteil führt Hogenschurz dort aus, es sei an der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Beklagter, darzulegen und zu beweisen, dass sich der Ladungsmangel nicht ausgewirkt habe.
6 Entscheidung
LG München I, Urteil v. 4.11.2021, 36 S 14711/20 WEG