Leitsatz

  • Gerichtliche Ladung und Verkündung einer Gerichtsentscheidung

    Entscheidungen des Versammlungsleiters zur Abstimmung und zur Beschlussfähigkeit

    Förmliche Eröffnung der Zweitversammlung

 

Normenkette

§ 25 Abs. 2-5 WEG, § 44 Abs. 1 WEG, § 16 Abs. 1, 2 FGG, Art. 103 Abs 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BayVerf

 

Kommentar

Zu 1:

Geht eine Ladung zur mündlichen Verhandlung in wohnungseigentumsgerichtlichen Verfahren einem Beteiligten erst zwei Tage vor dem bestimmten Termin zu, so verletzt das Gericht i.d.R. den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es einem Verlegungsgesuch des Beteiligten (begründet durch Krankheit mit nachgereichtem ärztlichen Attest) nicht stattgibt und in Abwesenheit des Beteiligten verhandelt und sogar entscheidet.

Verkündet das Wohnungseigentumsgericht am Ende der mündlichen Verhandlung lediglich den Tenor eines Beschlusses, so wird dadurch die Entscheidung zwar nicht wirksam, ist aber erlassen und damit beschwerdefähig. Die "Verkündung" einer Entscheidungsformel ist zwar keine wirksame Bekanntmachung eines gerichtlichen Beschlusses nach § 16 FGG und setzt auch nicht die Frist für die sofortige weitere Beschwerde in Gang (2-Wochenfrist); denn dazu wäre erforderlich gewesen, dass die vollständige Entscheidung mit Formel und Gründen in Anwesenheit aller Beteiligten zu Protokoll genommen worden wäre ( § 16 Abs. 3 FGG). Mit Verkündung der Entscheidungsformel wird allerdings ein Gerichtsbeschluss existent; das Gericht ist an die Entscheidung auch gebunden; damit konnte auch sofort ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werden.

Zu 2:

a) Haben Wohnungseigentümer die Art der Abstimmung in der Eigentümerversammlung weder durch Vereinbarung noch durch Eigentümerbeschluss geregelt, so bestimmt der Versammlungsleiter nach seinem Ermessen, wie abgestimmt und das Stimmergebnis ermittelt wird. Der Versammlungsleiter durfte vorliegend auch so vorgehen, dass er durch Handaufheben zunächst nur die Nein-Stimmen und die Enthaltungen abfragte und dann den Rest der Stimmen als Ja-Stimmen wertete (HG, ZMR 1985, 105; Röll, 4. Auflage, S. 114; Bub, PiG, Bd.25, S. 59; Merle, S. 123).

Die Grenze für ein derartiges Vorgehen liegt dort, wo das Ergebnis der Abstimmung nicht mehr sicher festgestellt werden kann. Deshalb ist es auch unschädlich, entgegen einer anderslautenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung nur nach Köpfen abzustimmen, solange feststeht, dass eine Mehrheit auch nach der Regelung der Gemeinschaftsordnung erreicht ist (vgl. BayObLG, Entscheidung v. 15.03.1984, 2 Z 118/83).

b) Stimmenthaltungen zählen nunmehr i.ü. als nicht abgegebene Stimmen, bleiben also bei der Ermittlung der Mehrheit unberücksichtigt (BGH, NJW 1989, 1090).

c) Richtig ist, dass grundsätzlich vor jeder einzelnen Beschlussfassung die Beschlussfähigkeit der Versammlung feststehen muss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Versammlungsleiter vor jedem Abstimmungspunkt förmlich die Beschlussfähigkeit festzustellen hat. Dazu ist er nur dann verpflichtet, wenn er selbst Zweifel an der fortbestehenden Beschlussfähigkeit hat oder ein Wohnungseigentümer in der Versammlung solche Zweifel öffentlich kundtut. Geht der Versammlungsleiter solchen Zweifeln dann nicht nach, führt die spätere Unaufklärbarkeit, wieviel Eigentümer noch anwesend waren, zur Ungültigerklärung der nachfolgenden Beschlüsse (OLG Köln, DWE 1988, 24).

Zu 3:

Dass es auf die Feststellung der Beschlussfähigkeit zu einzelnen Tagesordnungspunkten nicht ankomme, wenn nach Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung eine zweite Versammlung am selben Tag zulässig sei und der Verwalter vorsorglich auch zu einer solchen zweiten Versammlung geladen habe, kann so nicht akzeptiert werden. Die Vereinbarung einer Eventualeinberufung in der Gemeinschaftsordnung wird zwar überwiegend für zulässig erachtet, doch setzt sie stets voraus, dass die nicht mehr beschlussfähige Versammlung formell geschlossen und danach die zweite Versammlung förmlich eröffnet wird, damit jeder Versammlungsteilnehmer weiß, dass es ab diesem Zeitpunkt auf die Beschlussfähigkeit nicht ankommt. Meist ist auch vereinbart, dass die zweite Versammlung erst nach Ablauf einer Frist von einer halben Stunde nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit beginnen darf. Ein formloser, äußerlich nicht erkennbarer Übergang von der ersten zur zweiten Versammlung ist also ausgeschlossen. Der Übergang von der ersten Versammlung zur Wiederholungsversammlung muss förmlich festgestellt werden.

Die vorliegende Beschlussfähigkeitsvereinbarung ist auch dahin auszulegen, dass bei der Frage der Beschlussfähigkeit alle Stimmen der anwesenden Eigentümer zählen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob einzelne von ihnen bei bestimmten Tagesordnungspunkten von der Stimmabgabe nach § 25 Abs. 5 WEGausgeschlossen sind (vereinbart war hier:"Die Versammlung ist nur beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte aller vorhandenen Stimmen anwesend oder vertreten sind") (vgl. jedoch BayObLG, WE 1989, 64/65).

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 10.05.1989, BReg 2 Z 23/88= ...

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