Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz
2.1 Durch Arbeit oder Vermögen erworbene Anrechte
Dem Versorgungsausgleich unterliegen die Anrechte auf eine Versorgung für den Fall des Alters oder der Invalidität. Ausgleichspflichtig sind vor allem
- Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung,
- Beamtenpensionen und gleichgestellte Versorgungen,
- Anrechte aus einer betrieblichen Altersversorgung und andere Versorgungsrenten, z. B. aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen,
- oder Renten aus privaten Lebensversicherungen.
- im Rahmen einer Betriebsübergabe begründete Versorgungsanwartschaften (Leibgedinge).
Die Anrechte müssen, um der Ausgleichspflicht zu unterliegen, Versorgungscharakter haben (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG). Deshalb sind Abfindungen und Überbrückungsleistungen, die bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gewährt werden, nicht ausgleichspflichtig, sofern sie nur bis zum Versorgungsbezug gezahlt werden und die Zeit zwischen aktiver Beschäftigung und Ruhestand überbrücken sollen.
Nicht auszugleichen sind Anrechte, die weder mit Hilfe des Vermögens noch durch Arbeit der Ehegatten begründet oder aufrecht erhalten worden sind. Auf die Herkunft des Vermögens kommt es dagegen nicht an. Deshalb sind auch mit einer Erbschaft finanzierte Anrechte in einer privaten Lebensversicherung und aufgrund Direktleistungen von Beiträgen durch Dritte erworbene Anrechte (§ 119 Abs. 1 SGB X) auszugleichen. Nicht ausgleichspflichtig sind jedoch
- Leistungen, die als Entschädigung gewährt werden, z. B. Unfallrenten der gesetzlichen Unfallversicherung und Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz,
- unfallbedingte Erhöhungen einer Versorgung aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis,
- Kriegsopferrenten,
- Leistungen mit einem sozialen Zweck, wie z. B. Wohngeld, Erziehungsgeld, Ausbildungsförderung und die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII),
- verbrauchsunabhängige Deputate (z. B. Haustrank),
- Schadensersatzansprüche und von Dritten geschenkte Versorgungen, wenn die Zahlung des Dritten unmittelbar an den Versorgungsträger erfolgte (Direktleistung und Weiterleitungsfälle).
Die vorstehenden nicht ausgleichspflichtigen Anrechte verbleiben im Falle der Scheidung beim berechtigten Ehegatten.
Das Anrecht muss grundsätzlich auf eine Rente, d. h. auf wiederkehrende Versorgungsleistungen, und nicht auf eine Einmalzahlung gerichtet sein (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG). Ausgleichspflichtig sind aber nicht nur Renten, die auf Lebensdauer gewährt werden, sondern auch zeitlich befristete Renten. Unerheblich ist, ob die Rente monatlich bezahlt wird. Nicht ausgleichspflichtig sind dagegen Renten, die unabhängig von einer Altersgrenze bezahlt werden.
Entscheidend für die Ausgleichspflicht ist, dass die Rente im Anschluss an die Erwerbstätigkeit als Versorgung gewährt wird. Dies liegt bei Anrechten, die dem Betriebsrentengesetz oder dem Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz unterfallen, vor; sie werden unabhängig von den Leistungen im Versorgungsausgleich ausgeglichen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 2. Hs. VersAusglG). Ferner unterfallen alle nach dem Alterszertifizierungsgesetz zertifizierten Versorgungen (sog. Riester- oder Rürup-Rente) dem Versorgungsausgleich (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG). Dabei genügt es, dass ein Vertrag zertifizierbar ist. Auf die tatsächliche Zertifizierung kommt es nicht an, ebenso nicht auf die Leistungsform. Bei einem "Wohn-Riestervertrag" kommt es darauf an, ob das geförderte Kapital schon für den Kauf, Bau oder die Kreditierung einer selbstgenutzten Immobilie verwendet wurde; dann unterfällt das Anrecht dem Zugewinnausgleich.
Kapitallebensversicherungen ohne Rentenwahlrecht oder mit noch nicht ausgeübtem Rentenwahlrecht fallen unter den Zugewinnausgleich. Dies gilt auch, wenn die Lebensversicherung als Sicherheit verpfändet oder abgetreten wurde, wenn nicht auch die Ausübung des Wahlrechts abgetreten wurde. Wurde ein Rentenwahlrecht bereits ausgeübt, unterfallen diese Rechte dem Versorgungsausgleich.
Wird bei einer Lebensversicherung auf Rentenbasis ein Kapitalwahlrecht ausgeübt, scheidet das Anrecht aus dem Versorgungsausgleich aus und unterliegt dem Zugewinnausgleich. Dies gilt auch, wenn das Wahlrecht nach Ende der Ehezeit vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung ausgeübt wird. In diesem Fall kann allerdings, wenn der Entzug nicht kompensiert werden kann, im denselben Umfang der Ausgleich der von dem anderen Ehegatten erworbenen Anrechte beschränkt werden (§ 27 VersAusglG). Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) und der Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG) unterfallen ohne Rücksicht auf die Zahlungsweise dem Versorgungsausgleich (§ 2 Abs. 2 VersAusglG). Die Ausübung eines Wahlrechts auf einmalige Kapitalauszahlung kann sie nicht dem Versorgungsausgleich entziehen.