Leitsatz
Der Verstoß gegen Belehrungspflichten über die Aussagefreiheit des Beschuldigten führt im Strafprozess grundsätzlich zu einem Verwertungsverbot der unmittelbar hierdurch erlangten Informationen.
Sachverhalt
Gegen den Angeklagten wurde nach § 261 StGB wegen Geldwäsche ermittelt. Dabei ergaben sich Hinweise auf Umsatzsteuerhinterziehungen, weshalb die Staatsanwaltschaft Hamburg das Steuerstrafverfahren schon 1998 an die für den Geschäftssitz zuständige Staatsanwaltschaft Lübeck abgab. Diese übernahm das Verfahren erst Monate später und betraute die Steuerfahndung mit den weiteren Ermittlungen. Zwischenzeitlich hatte das Finanzamt Lübeck eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durchgeführt. Der Angeklagte räumte gegenüber dem Prüfer die Verwendung von "pro forma Rechnungen" ein. Erst im Jahr 2000 folgte eine Durchsuchung durch die Steuerfahndung, bei der er über seine Beschuldigtenrechte belehrt wurde. Ende 2000 reichte der Steuerberater des Angeklagten korrigierte Umsatzsteuererklärungen ein. Die Nachsteuer wurde vollständig entrichtet. Der BGH hob die verurteilende Entscheidung trotz gravierender Rechtsverstöße nicht auf.
Entscheidung
Ein Rechtsverstoß liegt nicht schon darin, dass eine Außenprüfung trotz des bereits eingeleiteten Steuerstrafverfahrens angeordnet und durchgeführt wurde. Mit welchen Mitteln und auf welche Weise das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht beim Verdacht auf eine Steuerstraftat nachkommt, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit und der Praktikabilität. Dabei schließen sich die Zuständigkeiten der Außenprüfung und der Steuerfahndung nicht gegenseitig aus. Der Außenprüfer muss aber bedenken, dass der Finanzbehörde nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens die im Rahmen des Besteuerungsverfahrens durch § 328 AO eingeräumten Zwangsmittel nicht mehr zustehen. Auch hat er gesetzliche Belehrungspflichten zu beachten.
Soweit nach dem Verfahrensstand Anlass dazu besteht, muss der Steuerpflichtige zwingend darüber belehrt werden, dass im Besteuerungsverfahren die Anwendung von Zwangsmitteln gegen ihn unzulässig ist, wenn er dadurch gezwungen wäre, sich selbst wegen einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu belasten. Dies gilt spätestens dann, wenn gegen ihn wegen einer solchen Tat ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens ist dem Beschuldigten spätestens mitzuteilen, wenn er dazu aufgefordert wird, Tatsachen darzulegen oder Unterlagen vorzulegen, die im Zusammenhang mit der ihm vorgeworfenen Straftat stehen. Bei einer Außenprüfung dürfen die Ermittlungen gemäß § 10 BPO 2000 hinsichtlich eines solchen Verdachts erst fortgesetzt werden, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Strafverfahrens unter Belehrung über seine Rechte tatsächlich mitgeteilt worden ist.
Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, gehört zu den verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien des Strafprozesses. Er dient der Wahrung der Rechte des Beschuldigten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Beschuldigte durch außerhalb des Straf- und Strafprozessrechts liegende Vorschriften verpflichtet wird, Angaben zu machen. Zum Schutz dieser Rechte enthält das Gesetz Belehrungspflichten. Ein Verstoß gegen diese Verfahrensvorschriften begründet grundsätzlich ein Verwertungsverbot für den Strafprozess.
Der BGH hob das Urteil der Vorinstanz allerdings nicht auf, weil der Angeklagte diesen Rechtsverstoß nicht ausdrücklich gerügt hatte. Dies wäre aber zwingend notwendig gewesen.
Praxishinweis
Weder das Eingeständnis des Angeklagten gegenüber dem Prüfer noch die nachgereichten Umsatzsteuererklärungen sah der BGH als strafbefreiende Selbstanzeige an. Für eine wirksame Selbstanzeige reicht es nicht aus, dass der Steuerpflichtige lediglich das vom Außenprüfer erarbeitete Ergebnis anerkennt oder auf Vorhalt bestimmter Sachverhalte die Unrichtigkeit seiner bisherigen Angaben einräumt. Eine Selbstanzeige ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO außerdem bereits dann nicht mehr möglich, wenn ein Amtsträger der Finanzverwaltung zur Prüfung erschienen ist. Diese Sperrwirkung scheidet nur aus, wenn die der Maßnahme zugrunde liegende Prüfungsanordnung nach § 125 AO nichtig ist, weil sie an besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehlern leidet. Ein Abstellen auf die bloße Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung oder der Prüfungsdurchführung oder auf die steuerliche oder strafrechtliche Verwertbarkeit des Prüfungsergebnisses würde zu erheblichen Unsicherheiten führen, da solche Mängel vielfach nicht ohne weiteres erkennbar sind und unter Umständen erst nach lang andauernden Streitigkeiten feststehen.
Link zur Entscheidung
BGH-Beschluss vom 16.6.2005, 5 StR 118/05