Leitsatz
Art. 15 Nr. 2 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er der von einem Mitgliedstaat vorgenommenen Mehrwertsteuerbefreiung einer Ausfuhrlieferung nach einem Ort außerhalb der Europäischen Gemeinschaft nicht entgegensteht, wenn zwar die Voraussetzungen für eine derartige Befreiung nicht vorliegen, der Steuerpflichtige dies aber auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns infolge der Fälschung des vom Abnehmer vorgelegten Nachweises der Ausfuhr nicht erkennen konnte.
Normenkette
Art. 15 Nr. 2 der 6. EG-RL (vgl. § 4 Nr. 1a, § 6 UStG)
Sachverhalt
Netto Supermarkt hatte Kunden die entrichtete Umsatzsteuer erstattet, wenn diese durch einen Stempelabdruck des Zolls (hälftig auf dem Kassenbon und dem Zollformular) und Passvorlage die Ausfuhr nachwiesen. Die Stempel waren gefälscht, so gut, dass auch das Zollamt, das die Klägerin befragt hatte, weil ihr die Ausfuhren so hoch erschienen, sie nicht auf Anhieb erkannte.
Entscheidung
Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Kann ein Steuerpflichtiger wie im Ausgangsverfahren selbst bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen, dass die Voraussetzungen für die Befreiung in Wirklichkeit nicht gegeben waren, weil die vom Abnehmer vorgelegten Ausfuhrnachweise gefälscht waren, kann ihm die Steuerbefreiung nicht versagt werden. Der BFH wird die Entscheidung nun umsetzen.
Hinweis
Der BFH hatte mit Beschluss vom 02.03.2006, V R 7/03, BFH-PR 2006, 363 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob -- kurz gesagt -- ein § 6a Abs. 4 UStG vergleichbarer Vertrauensschutz auch bei Ausfuhrlieferungen zu beachten sein kann. Fraglich war dies u.a. wegen der strikten zollrechtlichen Rechtslage. Denn kann dort der Zollschuldner die Voraussetzungen für den Erlass der Eingangs- oder der Ausfuhrabgaben nicht beweisen, trägt er die daraus folgenden Konsequenzen ungeachtet seines guten Glaubens.
Die Antwort überrascht nicht: Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten auch "zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen" die Bedingungen für die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung in ein Drittland festlegen. Dabei müssen sie die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes beachten. Sie dürfen an die Staatskasse denken, aber dem Unternehmer, der letztlich die Steuer für den Staat einzieht, nicht die ganze Verantwortung für die Risiken auferlegen. Das Ziel der Verhinderung von Steuerbetrug rechtfertigt daher einerseits hohe Anforderungen an die Verpflichtungen der Lieferer. Offenkundig unverhältnismäßig wäre es jedoch, einem Steuerpflichtigen anzulasten, dass durch betrügerische Machenschaften Dritter, auf die er keinen Einfluss hat, Steuern hinterzogen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass er dies auch bei ergreifen aller Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt, nicht erkennen konnte.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 21.02.2008, Rs. C-271/06 -- Netto Supermarkt GmbH & Co. OHG --