1 Leitsatz

Einem Verwalter ist die Entlastung zu verweigern, wenn gegen ihn Schadensersatzansprüche in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten, oder wenn ein tatsächliches Verhalten vorliegt, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß oder einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Wohnungseigentümer darstellt.

2 Normenkette

§ 26 Abs. 1 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen, den Verwalter zu entlasten. Gegen den Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er rügt, der Verwalter führe entgegen der Vorgabe aus der Gemeinschaftsordnung keine getrennten Konten, sondern unterhalte lediglich ein Konto.

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer behauptet, es seien zwar 2 gesonderte Rücklagenkonten vorhanden. Es erfolge eine buchhalterische Trennung, die zulässig sei, weil insbesondere durchgehend gewährleistet sei, dass die Rücklage in der geforderten Höhe bestehe und es auch tatsächlich zu keiner Vermischung der Rücklage mit anderen Beträgen komme.

4 Die Entscheidung

Die Klage hat Erfolg! Die Entlastung widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Dies sei der Fall, wenn gegen den Verwalter Schadensersatzansprüche in Betracht kämen und kein Grund ersichtlich sei, auf diese Ansprüche zu verzichten, oder wenn ein tatsächliches Verhalten gebilligt werde, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß oder einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Wohnungseigentümer darstelle (Hinweis auf Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl., § 28 Rn. 361). Diesen Verstoß gebe es. Der Verwalter verstoße gegen die Gemeinschaftsordnung. Die Rücklagen der beiden wirtschaftlich selbstständigen Gebäude würden entgegen der Gemeinschaftsordnung nicht auf 2 separaten Konten gebucht. Soweit sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer darauf stütze, dass eine buchhalterische Trennung vorliege und sich aus der Gemeinschaftsordnung nicht ergebe, dass eine getrennte Kontoführung nicht über getrennte buchhalterische Konten erfolgen könne, lege das Gericht die Gemeinschaftsordnung anders aus.

Zwar sei der Wortlaut nicht eindeutig, da unter "getrennten Konten" nicht zwangsläufig getrennte Bankkonten gemeint sein müssten. Schon der allgemeine Sprachgebrauch spreche aber dafür, dass unter getrennten Konten ein "Mehr" zu verstehen sei als die reine buchhalterische Trennung. Dafür, dass mit den Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung ein entsprechendes "Mehr" gemeint sei, spreche weiter, dass in der Gemeinschaftsordnung zum Ausdruck gebracht werde, dass die beiden Gebäude so weit wie möglich selbstständig zu behandeln seien.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, wann es ordnungsmäßig ist, dass die Wohnungseigentümer dem Verwalter namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Entlastung erteilen. Ferner geht es um eine Vereinbarung in einer Mehrhausanlage, nach der für die einzelnen Gebäude separate Konten einzurichten sind.

Entlastung der Verwaltung

Die "Entlastung" eines Verwalters ist erstens die Billigung seiner Amtsführung für einen bestimmten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und seinen vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig. Zweitens wird dem Amtsträger für die künftige Verwaltertätigkeit Vertrauen ausgesprochen. Mit der Entlastung eines Verwalters ist drittens die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses verbunden. Der Verwalter kann keine Entlastung verlangen und hat mithin keinen Anspruch darauf. Eine dennoch erteilte Entlastung kann allerdings ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

Dem Verwalter wird durch einen auf diese Wirkung zielenden Beschluss nach § 19 Abs. 1 WEG Entlastung erteilt. Der Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG ist nicht so zu verstehen. Eine besondere Mehrheit ist nicht erforderlich – auch dann nicht, wenn "aus guten Gründen" auf Ansprüche verzichtet wird. Ein Entlastungsbeschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Schadensersatzansprüche absehbar sind. Er widerspricht ihr hingegen, wenn gegen den Verwalter Ansprüche in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten. Eine Entlastung ist insbesondere ordnungswidrig, wenn – wie im Fall – ein tatsächliches Verhalten gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß oder einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Wohnungseigentümer darstellt. Die Entlastung wird für Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erteilt, nicht für Ansprüche der Wohnungseigentümer.

Separate Konten

Ich finde, es reicht ein Bankkonto. Kontoinhaberin ist stets die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Ich kann nicht erkennen, welchen Vorteil 2 Konten haben. Es ist auch kein "Mehr". Wichtig ist die buchhalterische Trennung. Die gibt es. Ferner ist es wichtig, dass die Mittel zweckentsprechend eingesetzt werden.

6 Entscheidung

AG Rheinberg, Urteil v. 10.5.2022, 12 C 85/21

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