1 Leitsatz
Die Verwaltungsbeiräte sind nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts (Aufwandsentschädigung) mit ihnen betrifft.
2 Normenkette
§§ 25 Abs. 4, 29 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentumsanlage mit über 1.000 Wohnungseigentümern bestimmen durch Beschluss eine Aufwandsentschädigung für Verwaltungsbeiräte und Ersatzbeiräte. Für die Teilnahme an Sitzungen sollen pauschal 50 EUR gezahlt werden. Ferner soll es eine Pauschale von 300 EUR für die Prüfung einer Jahresabrechnung geben. Bei diesem Beschluss stimmen auch die Verwaltungsbeiräte mit. Gegen ihn geht Wohnungseigentümer K vor.
4 Die Entscheidung
Das LG meint, der Beschluss leide zwar unter einem formalen Mangel. Denn die Verwaltungsbeiräte seien nach § 25 Abs. 4 WEG nicht stimmberechtigt gewesen. Dieser Mangel habe sich aber nicht ausgewirkt, da der Beschluss auch ohne die Stimmen der Verwaltungsbeiräte zustande gekommen wäre. Die Höhe der Aufwandsentschädigung sowie der Umstand, dass diese auch den Ersatzbeiräten gezahlt werden, sei hingegen nicht zu beanstanden. Den Verwaltungsbeiräten obliege gem. § 29 WEG die Aufgabe, bei der Verwaltung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mitzuwirken, Versammlungen vorzubereiten und Abrechnungen zu prüfen. Sie hätten damit eine organschaftliche Stellung. Aufgrund dieser Stellung könne ihnen ein Aufwendungsersatz zustehen, welcher durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mehrheitlich zu beschließen gewesen sei. Der Beschluss sei so zu verstehen, dass eine Aufwandsentschädigung an die Teilnahme an eine bestimmte Sitzung geknüpft werde und damit auch an ein tatsächliches Tätigwerden der Verwaltungsbeiräte. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass auch den Ersatzbeiräten die Aufwandsentschädigung zugebilligt worden sei. Denn der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stehe es frei, neben den Verwaltungsbeiräten auch Ersatzbeiräte zu wählen. Als Ausfluss des Selbstverwaltungsrechts sei es dann auch möglich, den Ersatzbeiräten zuzubilligen, an etwaigen Versammlungen und Abrechnungsprüfungen teilzunehmen. Eine Aufwandsentschädigung müsse sich im Übrigen an den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung messen lassen. Diese Anforderung sei unter anderem dann erfüllt, wenn die Maßnahme bei einer an den konkreten Bedürfnissen und Möglichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgerichteten Kosten-Nutzen-Analyse und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als vertretbar erscheine. So liege es im Fall.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es im Kern vor allem um die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Verwaltungsbeiräten eine Pauschale für ihre Aufwendungen zahlen darf.
Aufwendungsersatz
Jeder Verwaltungsbeirat hat als Beauftragter nach §§ 662, 670 BGB und neben einer etwaigen Vergütung grundsätzlich einen Anspruch auf einen Aufwendungsersatz. Die Aufwendungen müssen nachweisbar im konkreten Einzelfall entstanden sein. Schuldner des Aufwendungsersatzanspruchs ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Pauschaler Aufwendungsersatz
Der Aufwendungsersatzanspruch kann nach herrschender Meinung von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus Zweckmäßigkeitsgründen durch eine Pauschale abgegolten werden. Dies sieht das LG auch so. Eine Pauschale ist indes kein Aufwendungsersatz, sondern im Ergebnis und in der Regel eine verkappte Vergütung.
Stimmberechtigung
Ein Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm betrifft. Dass das Versprechen einer Pauschale ein "Rechtsgeschäft" ist, überrascht. Es überzeugt aber, wenn man, wie es hier geschieht, die Pauschale als verkappte Vergütung ansieht.
Ersatzbeiräte
Die Wohnungseigentümer können Ersatzbeiräte bestellen. Die Bestellung zum Ersatzbeirat ist eine Bestellung unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass irgendein Verwaltungsbeirat oder ein bestimmter Verwaltungsbeirat aus dem Verwaltungsbeirat ausscheidet oder dass ein Verwaltungsbeirat dauerhaft verhindert ist, sein Amt auszuüben. Im Fall kann es so eigentlich nicht gewesen sein. Denn die Ersatzbeiräte waren neben den Verwaltungsbeiräten bei den Versammlungen anwesend.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Eine Pauschale führt dazu, dass § 29 Abs. 3 WEG nicht anwendbar ist. Die Verwaltungsbeiräte haben dann jedes Verschulden zu vertreten. In der Regel kann daher eine Pauschale nicht empfohlen werden. Besser ist es, die konkreten Aufwendungen zu erstatten.
6 Entscheidung
LG Braunschweig, Urteil v. 14.12.2023, 6 S 295/22