1 Leitsatz
Die Wohnungseigentümer können einen werdenden Wohnungseigentümer (Miteigentümer) zum Verwaltungsbeirat bestellen.
2 Normenkette
§ 29 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer wählen A und B zu Verwaltungsbeiräten. A und B sind ein Ehepaar. Sie haben ihr Wohnungseigentum von Wohnungseigentümer K gekauft, sind aber noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Mittlerweile sind sie vom Kaufvertrag zurückgetreten. K meint, es sei unzulässig, Personen zu Verwaltungsbeiräten zu bestellen, die Miteigentümer desselben Wohnungseigentums seien. Zudem seien A und B nicht wählbar, weil sie aufgrund des Rücktritts vom Kaufvertrag keine Wohnungseigentümer mehr seien.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg! A und B seien als Verwaltungsbeiräte geeignet. Zwar seien sie keine Wohnungseigentümer. Es genüge aber, dass sie werdende Wohnungseigentümer seien. Dem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass A und B vom Kaufvertrag zurückgetreten seien. Ob der Rücktritt wirksam sei, sei ungeklärt und nicht entscheidend. Zwar werde regelmäßig vertreten, dass es für die Eigenschaft als werdender Wohnungseigentümer darauf ankomme, dass ein wirksamer Erwerbsvertrag ohne Rücktritt vorliege. Dem folge das Gericht aber nicht. Denn die Frage, ob ein wirksamer Rücktritt vorliege, könne durch die Verwaltung in Versammlungen nicht abschließend geklärt werden. Käme es auf die Frage an, ob ein Rücktritt wirksam sei, wären Gemeinschaften ggf. langfristig nicht entscheidungsfähig. Aus diesem Grund sei allein auf äußere Umstände abzustellen. Mit der Bestellung von A und B hätten die Wohnungseigentümer auch nicht das ihnen zustehende Ermessen überschritten. Es sei nicht zu beanstanden, wenn die Beiräte Eigentümer desselben Wohnungseigentums seien.
5 Hinweis
Problemüberblick
In der Entscheidung geht es um die Frage, welche Personen als Verwaltungsbeirat geeignet sind.
Allgemeine Eignung
Nach bislang h. M. ist notwendig, aber ausreichend, dass der Bestellte die dem Verwaltungsbeirat auferlegten Pflichten im Wesentlichen erfüllen könne. Besondere Anforderungen an die Kenntnisse eines Kandidaten über die Befugnisse des Verwaltungsbeirats stelle das Gesetz nicht, ebenso wenig an seine Qualifikation im Allgemeinen.
Dem ist nicht mehr zuzustimmen. Der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats vertritt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter. Er muss daher wissen, wann er gegen diesen vorgehen und z. B. Schadensersatz fordern, ihn abmahnen oder ihm namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Entlastung erklären muss. Ferner müssen nach § 29 Abs. 2 Satz 1 WEG alle Verwaltungsbeiräte den Verwalter überwachen. Jedenfalls diese Aufgaben sowie die Möglichkeit, nach § 24 Abs. 3 WEG die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen, sowie die Möglichkeit, dass die Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 2 WEG den Verwalter an Zustimmungen der Verwaltungsbeiräte zu binden, macht es notwendig, dass die Verwaltungsbeiräte über eine besondere Sachkunde verfügen und sich in rechtlichen Dingen wenigstens in groben Zügen auskennen.
Ein Verwaltungsbeirat muss daher im aktuellen Recht über Kenntnisse von Abrechnungstechnik oder Buchhaltung verfügen bzw. juristische Grundkenntnisse mitbringen, um seine Aufgaben zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund besonders geeignet sind beispielsweise Buchhalter, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Architekten, Ingenieure, Rechtsanwälte oder Wohnungseigentümer mit Kenntnissen in diesen Berufen.
Wohnungseigentümer
Aus § 29 Abs. 1 Satz 1 WEG ("Wohnungseigentümer") folgt, dass die Verwaltungsbeiräte Wohnungseigentümer sein müssen. Für das Amt des Verwaltungsbeirats ist es dabei mit dem AG nach Sinn und Zweck ausreichend, dass der Amtsinhaber werdender Wohnungseigentümer, Miteigentümer oder Treuhänder ist. Ein Amtsträger wie der Testamentsvollstrecker, Zwangs- oder Insolvenzverwalter hingegen ist in den meisten Belangen als "Wohnungseigentümer" anzusehen.
Für das auf Dauer angelegte Amt des Verwaltungsbeirats ist er aber in der Regel ungeeignet. Ist eine juristische Person oder eine Personengesellschaft Wohnungseigentümer, kann sie nach § 29 Abs. 1 Satz 1 WEG zum Verwaltungsbeirat bestellt werden (das ist streitig). Der gesetzliche Vertreter eines Wohnungseigentümers – beispielsweise seine Eltern, bei Erwachsenen ein Betreuer oder der Vorstand oder Geschäftsführer einer juristischen Person – ist kein Wohnungseigentümer. Die h. M. hält ihn dennoch für geeignet. Nicht bestellt werden kann hingegen der Gesellschafter eines Wohnungseigentümers.
Im Fall besteht die Besonderheit darin, dass A und B ggf. nicht mehr werdende Wohnungseigentümer sind. Das AG meint, dies sei nicht zu klären. Das Gegenteil ist aber richtig. Weder die Verwaltung noch ein Gericht kann diese Frage ungeklärt lassen.
6 Entscheidung
AG Potsdam, Urteil v. 16.6.2022, 31 C 1/22