1 Leitsatz
Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsbeiräte, die Jahresabrechnung auf die richtige Zuordnung einzelner Kostenpositionen oder Einnahmen hin zu überprüfen.
2 Normenkette
§ 29 Abs. 2, Abs. 3 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer entlasten die Verwaltungsbeiräte. Wohnungseigentümer K geht gegen diesen Beschluss vor. Die Verwaltungsbeiräte hätten offensichtliche Fehler der Jahresabrechnung im Rahmen der ihnen obliegenden Prüfung nicht erkannt und die Wohnungseigentümer nicht ordnungsmäßig informiert.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg! Im Regelfall billigten die Wohnungseigentümer mit dem Beschluss über die Entlastung der Verwaltungsbeiräte deren zurückliegende Amtsführung im jeweils genannten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und ihren vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig; sie sprächen den Verwaltungsbeiräten auf diese Weise gleichzeitig für die künftige Tätigkeit ihr Vertrauen aus. Die Folge dieser Vertrauenskundgabe sei der Eintritt der Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses. Die Entlastung widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung und sei rechtswidrig, wenn (Schadensersatz-)Ansprüche gegen die Verwaltung in Betracht kämen und kein Grund ersichtlich sei, auf diese Ansprüche zu verzichten. Im Fall kämen Haftungsansprüche gegen den Verwalter wegen zu Unrecht geleisteter bzw. rechtsgrundloser Zahlungen (unter anderem Sondervergütung/Hausmeisterkosten/Kosten für Spielplatzschilder) in Betracht, so dass die Entlastung der Verwaltung einer ordnungsmäßigen Verwaltung widerspreche. Für die Verwaltungsbeiräte gelte etwas Anderes (Hinweis auf LG Düsseldorf, Urteil v. 2.10.2013, 25 S 53/13). Die Verwaltungsbeiräte hätten eine unterstützende Funktion (§ 29 Abs. 2 WEG). Prüften die Verwaltungsbeiräte die Jahresabrechnung (§ 29 Abs. 3 WEG), gehe es (lediglich) um die rechnerische Richtigkeit, dass nämlich zum Beispiel die Zahlen in der Jahresabrechnung selbst und in zugrunde liegenden Belegen übereinstimmten. Demgegenüber sei es nicht Aufgabe der Verwaltungsbeiräte, die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Nichtigkeit von Umlage-Beschlüssen zu verfolgen. Damit seien die Verwaltungsbeiräte von vornherein überfordert. Sei dem Verwalter im Zusammenhang mit der Aufstellung der Jahresabrechnung die Entlastung zu verweigern, könne zwar auch den Verwaltungsbeiräten keine Entlastung erteilt werden. Dieser Grundsatz gelte jedoch nur im Hinblick auf die rechnerische Richtigkeit der Jahresabrechnung. Dagegen sei es nicht Aufgabe der Verwaltungsbeiräte, die Jahresabrechnung auf die richtige Zuordnung einzelner Kostenpositionen oder Einnahmen hin zu überprüfen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Die Wohnungseigentümer können die Verwaltungsbeiräte für ein Geschäftsjahr entlasten. Diese "Entlastung" ist erstens die Billigung einer Amtsführung für einen bestimmten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und den ggf. vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig. Zweitens wird dem Amtsträger für die künftige Tätigkeit das Vertrauen ausgesprochen. Mit der Entlastung ist drittens die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) verbunden. Da der Entlastungsbeschluss typischerweise in der Annahme gefasst wird, dass Ansprüche gegen den Amtsträger nicht bestehen, zielt er nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses; diese sind vielmehr lediglich Folge der geschilderten Vertrauenskundgabe. Ein Entlastungsbeschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Schadensersatzansprüche absehbar sind. Er widerspricht ihr hingegen, wenn Ansprüche in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese zu verzichten.
Entlastung des Verwalters
Beim Verwalter widerspricht eine Entlastung insbesondere dann einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn der Verwalter eine fehlerhafte Jahresabrechnung oder einen mangelhaften Wirtschaftsplan vorgelegt hat und dadurch die Beschlüsse nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG mangelhaft sind, oder wenn ein tatsächliches Verhalten gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß oder einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Wohnungseigentümer darstellt.
Entlastung der Verwaltungsbeiräte
Die Entlastung der Verwaltungsbeiräte soll nach bislang herrschender Meinung einer ordnungsmäßigen Verwaltung widersprechen, wenn die von den Verwaltungsbeiräten geprüfte, jedoch nicht beanstandete Jahresabrechnung fehlerhaft ist und geändert werden muss (so LG Frankfurt a. M., Urteil v. 22.12.2022, 2-13 S 77/21). Demgegenüber meinte LG Koblenz (Urteil v. 24.1.2022, 2 S 72/20 WEG), die Aufgaben eines Verwalters und der Verwaltungsbeiräte in Bezug auf eine Jahresabrechnung seien nicht deckungsgleich, sondern unterschiedlich. Aus einer für ungültig erklärten Jahresabrechnung folge daher nicht automatisch die zu versagende Entlastung für die Beiratsmitglieder.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen sollten dem AG nicht folgen und mit den Verwaltungsbeiräten gemeinsam klären, ob sämtliche Kostenpositionen und Einnahmen zutreffend sind. ...