1 Leitsatz
Jedenfalls wenn die Parteien auch um die Frage streiten, ob Kopien den Anforderungen an die Vertretungsregeln in der Gemeinschaftsordnung genügen, besteht ein Anspruch auf Einsicht in die bei der Gemeinschaft vorhandenen Unterlagen. Ein Wohnungseigentümer muss sich insoweit nicht mit der Überlassung von Kopien zufriedengeben, die die Verwaltung angefertigt hat. Selbst dann, wenn zwischenzeitlich auch überlassene Originale durch Kopien ersetzt worden sein sollten, kann sich durch die Einsicht ein Erkenntnisgewinn ergeben, ob die Unterlagen kopiert wurden oder ob der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von vornherein eine Kopie überlassen wurde. Im Übrigen lässt sich auch die Vollständigkeit der Unterlagen durch eine Einsichtnahme in Unterlagen deutlich besser überprüfen als durch die Übersendung von Kopien.
2 Normenkette
§ 18 Abs. 4 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B streiten, ob K ein Einsichtnahmerecht in die Verwaltungsunterlagen in Bezug auf die dort vorhandenen Stimmrechtsübertragungsvollmachten für die Versammlung vom 10.7.2021 zusteht. Das AG bejaht die Frage. Hiergegen richtet sich die Berufung, die sich im Wesentlichen darauf stützt, K seien Kopien der Stimmrechtsübertragungsvollmachten übersandt worden. In den Verwaltungsunterlagen gebe es keine Originale dieser Unterlagen mehr.
4 Die Entscheidung
Die Berufung hat keinen Erfolg! Ein Wohnungseigentümer habe einen Anspruch darauf, wiederholt in die Verwaltungsunterlagen Einsicht zu nehmen, solange das Einsichtsbegehren nicht treuwidrig sei. Hierfür gebe es keine Hinweise. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe ihrer Pflicht, Einsicht zu gewähren, auch nicht mit der Übersendung der Kopien genügt. Ein Wohnungseigentümer habe wie ein Mieter einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Originale. Nur dann, wenn – was B nicht behaupte – Papierunterlagen nicht (mehr) vorhanden seien, beschränke sich das Einsichtnahmerecht auf die digitalen Daten. Unabhängig davon, könne auch dann die Einsichtnahme in die digitalen Daten im Regelfall im Büro des Verwalters ausgeübt werden, schon um deren Vollständigkeit prüfen zu können, was bei übersandten Ausdrucken nicht in gleicher Weise möglich sei.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall verlangt ein Wohnungseigentümer Einsicht in die Originale der Verwaltungsunterlagen. Das LG gibt ihm diesen Anspruch. Zu Recht.
Originale der Verwaltungsunterlagen
Der Einsichtsberechtigte hat das Recht, die Originale der Verwaltungsunterlagen einzusehen. Allerdings ist vorstellbar, dass die Originalbelege nur digital vorliegen. Nach herrschender Meinung muss sich ein Wohnungseigentümer ferner auf digitalisierte/eingescannte Daten verweisen lassen, wenn das von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder dem Dienstleister gewählte Scanverfahren zur Dokumentenspeicherung und -verwaltung fälschungssicher ist. Dabei kann man sich u. a. an § 257 Abs. 3 HGB, § 147 Abs. 2 AO orientieren. Danach können Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten mit den empfangenen Handelsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden, während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können. Eine ausreichende Scan- und Datensicherheit soll beispielsweise die "Technische Richtlinie ersetzendes Scannen" (TR-RESISCAN) abbilden (www.bsi.bund.de/resiscan). Sie gibt den Stand der Technik wieder und soll mit technischen, organisatorischen und personellen Vorgaben eine Orientierung geben, bis es für die Art und Weise des Scannens einheitliche Anforderungen gibt.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nicht daran gehindert, Originalbelege einzuscannen oder anders zu digitalisieren, dann zu vernichten und dem Wohnungseigentümer nur Ausdrucke zur Verfügung zu stellen oder eine digitale Einsichtnahme zu ermöglichen. Präsentiert die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gescannte oder digitale Belege, kann der Wohnungseigentümer nicht einwenden, es handele sich nicht um Originale, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gleichzeitig ausdrücklich vorträgt, die vom Speichermedium ausgedruckten Belege stünden den Originalen gleich oder seien die Originale.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 23.5.2023, 2-13 S 15/23