Leitsatz
Für eine Klage und deren Zulässigkeit ist ein Schlichtungsversuch nach Landesrecht dann jedenfalls nicht erforderlich, wenn das Verfahren vom Land- an das Amtsgericht verwiesen wurde.
Normenkette
Art. 1 Nr. 2 BaySchlG
Das Problem
- Wohnungseigentümer K verklagt Wohnungseigentümer B vor dem Landgericht wegen Ehrverletzungen. B habe gegenüber K unter anderem geäußert, K sei ein "Zigeunerdreckspack", das man rausschmeißen solle.
- Das Landgericht sieht in dem Streit eine WEG-Sache im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG, sieht sich daher als funktionell unzuständig an und verweist die Sache an das Amtsgericht.
Das Amtsgericht sieht sich nach Art. 1 Nr. 2 des Bayerischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen (Bayerisches Schlichtungsgesetz – BaySchlG) allerdings für noch nicht zuständig an und verwirft die Klage als unzulässig.
Art. 1 BaySchlG (Sachlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung)
Vor den Amtsgerichten kann in folgenden bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten mit Ausnahme der in § 15a Abs. 2 EGZPO genannten Streitigkeiten eine Klage erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit vor einer in Art. 3 genannten Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen:
…
2. |
in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist. |
Die Voraussetzungen des Art. 1 BaySchlG lägen nicht nur bei der Erhebung einer entsprechenden Klage vor dem Amtsgericht vor, sondern auch dann, wenn – wie hier – eine Verweisung vom Landgericht, wo die Klage erhoben worden war, an das Amtsgericht stattgefunden hat.
- Dagegen wendet sich K mit der Berufung.
Entscheidung
Mit Erfolg! Der Bundesgerichtshof habe zu § 1 Abs. 1 Satz 1 des Schlichtungsgesetzes aus Baden-Württemberg (BWSchlG) entschieden, dass dieser nicht den Fall erfasse, in dem die Klage aufgrund einer unzutreffenden Ermittlung des Streitwerts zunächst vor dem Landgericht erhoben werde und dieses den Rechtsstreit wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht verweise (Hinweis auf BGH v. 30.4.2013, VI ZR 151/12, NJOZ 2013 S. 1816). Die Erwägungen, die den Bundesgerichtshof geleitet hätten, seien auf die zu entscheidende Konstellation voll umfänglich übertragbar. Die Vorschriften des bayerischen und des baden-württembergischen Schlichtungsgesetzes seien in Art. 1 BaySchlG bzw. § 1 BWSchlG nahezu identisch. Zwar habe sich hier die Verweisung nicht daraus ergeben, dass das Landgericht den Streitwert anders beurteilte, sondern daraus, dass es die Zuständigkeit des ausschließlich zuständigen WEG-Gerichts als gegeben erachtete. Aber auch die Zuständigkeit des WEG-Gerichts in Sachen einer Ehrverletzung sei nicht in jedem Fall zweifelsfrei zu erkennen. Von daher gelte auch das vom Bundesgerichtshof zuletzt angeführte Argument der bestehenden Unsicherheit im Vorfeld hinsichtlich der Zuständigkeit.
Kommentar
Anmerkung:
Die Entscheidung ist sicherlich richtig. Folgerungen für die Praxis kann man aus ihr aber leider kaum ziehen. Vor allem ist die bewusst falsche Klageerhebung vor dem unzuständigen Landgericht kein Mittel zur generellen Umgehung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens (Toussaint, FD-ZVR 2013, S. 347576). Denn der Bundesgerichtshof hat in Randnummer 10 der zitierten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob etwas anderes gilt, wenn die Klage rechtsmissbräuchlich vor einem sachlich unzuständigen Gericht erhoben wurde.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Den Verwalter trifft die Pflicht, sich gegenüber allen Wohnungseigentümern "neutral" zu verhalten. Der Verwalter sollte sich daher bei einem Streit unter den Wohnungseigentümern keinem "Lager" zugehörig fühlen – dieses jedenfalls aber nicht zeigen. Ferner sollte der Verwalter bei verbalen Entgleisungen und Ehrverletzungen – die ja häufig auch ihn treffen – stets einen "kühlen Kopf" behalten. Denn allzu schnell richtet sich der Zorn eines Wohnungseigentümers gegen ihn. Dies kann den Verwalter im Einzelfall die Bestellung kosten.
Link zur Entscheidung
LG München I, Urteil vom 23.01.2014, 36 S 26080/12