Leitsatz

Art. 15 Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er der von einem Mitgliedstaat vorgenommenen Mehrwertsteuerbefreiung einer Ausfuhrlieferung nach einem Ort außerhalb der Europäischen Gemeinschaft nicht entgegensteht, wenn zwar die Voraussetzungen für eine derartige Befreiung nicht vorliegen, der Steuerpflichtige dies aber auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns infolge der Fälschung des vom Abnehmer vorgelegten Nachweises der Ausfuhr nicht erkennen konnte.

 

Sachverhalt

Von 1992 bis 1998 erstattete der in Mecklenburg-Vorpommern belegene Netto Supermarkt ihren in Polen ansässigen Kunden (damals noch Drittland) die Umsatzsteuer nur, wenn der Nachweis der Ausfuhr durch Stempelabdruck des Zolls jeweils hälftig auf dem Kassenbon und dem Zollformular erfolgte. Spätere, durch Netto Supermarkt selbst angeregte, Überprüfungen der Finanzbehörde ergaben, dass die angebrachten Zollstempel gefälscht waren. Das Finanzamt versagte daraufhin die Steuerbefreiung, da Netto Supermarkt die Echtheit der Ausfuhrnachweise hätte früher prüfen müssen und bei Anwendung angemessener Sorgfalt den mehrjährigen Betrug hätte verhindern können.

Zwar enthält die Befreiung für Drittlandslieferungen in § 6 UStG keine ausdrückliche Vertrauenschutzregelung wie § 6a Abs. 4 UStG für innergemeinschaftliche Lieferungen. Trotzdem kam der EuGH, nach Vorlage des BFH, aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu dem Ergebnis, dass die Umsatzsteuer nicht vom Lieferer erhoben werden kann, wenn er das Fehlen der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Der EuGH hält es für offenkundig unverhältnismäßig, einem Lieferer die durch betrügerische Machenschaften Dritter, auf die er keinen Einflusshat, entgangenen Steuereinnahmen anzulasten. Insoweit muss der Lieferer gutgläubig sein, dass er alle ihm vernünftigerweise zu Gebote stehenden zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen im Zusammenhang mit seiner Lieferung ergriffen hat.

 

Hinweis

Abzuwarten bleibt die Entscheidung des BFH. Dieser muss abschließend beurteilen, ob Netto Supermarkt bei seiner Erstattungspraxis gutgläubig und sorgfältig wie ein ordentlicher Kaufmann vorgegangen ist.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil v. 21.2.2008, C-271/06, Netto Supermarkt.

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