Zusammenfassung
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum hinweg untätig geblieben ist und dadurch bei seiner Gegenpartei den Eindruck erweckt hat, sie brauche mit der Geltendmachung des Rechts nicht mehr zu rechnen; die Gegenpartei sich darauf eingerichtet hat und ihr die verspätete Inanspruchnahme nicht zugemutet werden kann.
Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB); sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Der bloße Zeitablauf reicht niemals aus. Stets müssen darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die die verspätete Inanspruchnahme des Schuldners als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen.
1 Allgemeines
Die Verwirkung ist eine Konkretisierung des § 242 BGB, wonach eine Leistung nur so zu bewirken ist, wie es Treu und Glauben erfordern.
Ein Anspruch oder ein Gestaltungsrecht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit vergangen ist und besondere Umstände hinzukommen, aufgrund derer der zur Leistung Verpflichtete nicht mehr mit der verspäteten Inanspruchnahme zu rechnen braucht. Die Verwirkung setzt also ein Umstands- und ein Zeitmoment voraus.
Hierzu können keine bestimmten Fristen angegeben werden, da es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Seit der Verkürzung der Regelverjährungsfrist von 30 auf 3 Jahre mit der Schuldrechtsreform in 2002 kommt der Verwirkung in der Praxis nur noch in Ausnahmefällen Bedeutung zu. Grundsätzlich gilt, dass ein Anspruch nicht vor Ablauf der Regelverjährung verwirkt sein kann.
Im Gegensatz zur Verjährung, auf die sich der in Anspruch Genommene ausdrücklich berufen muss, ist die Verwirkung von Amts wegen zu berücksichtigen.
2 Betriebskosten
Jährliche Abrechnung
Die bisherige Rechtsprechung über die Verwirkung des Anspruchs des Vermieters gegen den Mieter auf Nachzahlung von Nebenkosten aus Umlageabrechnung ist durch § 556 Abs. 3 BGB, der durch das Mietrechtsreformgesetz eingeführt wurde, überholt. Danach ist über die Vorauszahlung für Betriebskosten jährlich abzurechnen. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen.
Nachforderung ausgeschlossen
Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Es handelt sich hierbei also um eine Ausschlussfrist. Auf den Gesichtspunkt der Verwirkung kommt es nicht mehr an.
Auch der Mieter hat Einwendungen gegen die Abrechnung dem Vermieter spätestens zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten (§ 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB). Eine zum Nachteil des Mieters hiervon abweichende Vereinbarung ist unwirksam (§ 556 Abs. 4 BGB). Vgl. hierzu auch "Betriebskostenabrechnung: Rechte der Mieter und Vermieter".
Zahlung eines Saldos
Hat der Vermieter innerhalb der Ausschlussfrist seine Betriebskostenabrechnung erstellt, so unterliegt auch der Anspruch auf Zahlung des Saldos aus der Abrechnung der Verwirkung, wenn Umstände vorliegen, nach denen der Mieter darauf vertrauen durfte, dass der Vermieter die Forderung nicht mehr geltend macht. Wie bereits ausgeführt, gilt grundsätzlich, dass eine Verwirkung vor Ablauf der Verjährung nur ganz ausnahmsweise angenommen werden kann. Eine solche Ausnahme hat der BGH in einem besonderen Fall bejaht und Verwirkung angenommen:
Der Vermieter rechnete seine Nebenkosten in den Jahren 2001 bis 2007 ab mit einer Forderung zu seinen Gunsten. Der Mieter erhob im wesentlichen inhaltsgleiche Einwendungen. Der Vermieter zeigte keine Reaktion und verfolgte seinen Anspruch nicht weiter. Auch auf die Abrechnung für 2005 wurden fristgerecht gleiche Einwendungen erhoben. Diese Abrechnung machte der Vermieter nun kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist Ende 2009 gerichtlich geltend. Hinzu kam, dass der Mieter die vermietete Wohnung im Jahr 2007 in einer Zwangsversteigerung ersteigert hatte. Zwar sprach das Zeitmoment isoliert nicht für den Mieter, aber bei der langen Vorgeschichte durfte er hier darauf vertrauen, dass auch der Anspruch für 2005 nicht mehr weiterverfolgt wurde.
3 Staffelmiete
Auch der Anspruch auf Zahlung der Erhöhung aufgrund einer Staffelmietvereinbarung kann verwirken. Das LG München I hat entschieden, dass in dem Fall, dass der Vermieter den aus einer Staffelmietvereinbarung sich ergebenden Erhöhungsbetrag 2 1/2 Jahre nicht geltend macht, er konkludent auf die Rechte aus dieser V...