FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlaß v. 29.8.2016, S 0462
Ergänzung der Regelungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 235
1. Allgemeines
Eine ausführliche Darstellung der Rechtsgrundlagen ergibt sich aus dem AEAO zu § 235.
2. Gegenstand der Verzinsung (Ergänzung des AEAO zu § 235, Nr. 2)
2.1 Umsatzsteuer
Bei der Bearbeitung von Umsatzsteuererklärungen mit hohen Abschlusszahlungen und berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist zu prüfen, ob diese Selbstanzeigen darstellen (§ 371 Abs. 3 und 4 AO) und die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in Betracht kommt. Für das Veranlagungsverfahren wird unter folgenden Voraussetzungen der PH 667 ausgegeben: Die Abschlusszahlung im Sinne des § 18 Abs. 4 UStG aufgrund der Umsatzsteuer-Jahreserklärung beträgt mehr als 10.000,00 EUR oder mehr als 5 v.H. der Summe der vorangemeldeten Umsatzsteuer und mindestens 5.000,00 EUR (DA-ADV / Fach 092 Hinweise mit Verweis auf die DDV-Auskunft). Nach dem Inhalt des PH 667 ist u.a. auch zu prüfen, ob Hinterziehungszinsen festzusetzen sind.
2.2 Einkommensteuer und Körperschaftsteuer
Insbesondere in den Fällen von lang andauernden Steuerverkürzungen bei ausländischen Kapitalerträgen sind auch die verkürzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen nach § 235 AO zu verzinsen. In diesen Fällen betrifft die Verkürzung nicht ausschließlich die Jahreseinkommensteuer, sondern auch die vierteljährlichen Einkommensteuer-Vorauszahlungen, da diese bei Berücksichtigung der hinterzogenen Einkommensteuer des Vorjahres höher hätten festgesetzt werden müssen und der Hinterzieher sich dadurch bis zur endgültigen Festsetzung der Jahreseinkommensteuer einen ungerechtfertigten Liquiditäts- bzw. Zinsvorteil verschafft (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.1997, VII R 74/96, BStBl 1997 II S. 600). Demzufolge fallen auch keine oder zu geringe Steuervorauszahlungen unter den Begriff der „verkürzten Steuer” (vgl. AEAO zu § 235 Nr. 2.1) und sind mithin gesondert zu verzinsen.
Der objektive Tatbestand einer Hinterziehung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen kann bereits dann erfüllt sein, wenn durch unrichtige Angaben in einer Jahressteuererklärung bewirkt wird, dass neben der Jahreseinkommensteuer auch die Einkommen-Vorauszahlungen für einen nachfolgenden Veranlagungszeitraum nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Diese Verkürzung ist aber weder im Unrechtsgehalt noch betragsmäßig mit einer evtl. späteren Einkommensteuerhinterziehung identisch, so dass es sich insoweit um aufeinanderfolgende Steuerhinterziehungen handelt, die nach Nr. 2.3 AEAO zu § 235 nicht als eine Tat zu würdigen, sondern als selbständige Taten zu behandeln sind.
Dies gilt entsprechend auch für verkürzte Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen.
2.3 Solidaritätszuschlag
Bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer sind auch Zinsen zum Solidaritätszuschlag festzusetzen.
2.4 Erbschaft- und Schenkungsteuer
Da insbesondere bei der Schenkungsteuer oftmals ein langer Zeitraum zwischen der Verletzung der Anzeigepflicht und dem Zeitpunkt der Steuerfestsetzung liegt (vgl. Feststellungen des LRH NRW bei einer in den Jahren 2012 bis 2014 durchgeführten Prüfung der Organisation und der Bearbeitungsqualität der Erbschaftsteuerstellen in NRW), belaufen sich die Hinterziehungszinsen häufig auf nicht unerhebliche Beträge.
Die Bearbeiterinnen und Bearbeiter sollten im Rahmen von Schulungen oder Fachbesprechungen für diese Thematik sensibilisiert werden. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Zinspflicht unabhängig vom Steuerstrafverfahren im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu prüfen ist. In Fällen der Selbstanzeige sind auch bei bereits eingetretener Strafverfolgungsverjährung Hinterziehungszinsen festzusetzen.
Des Weiteren sollte die Zusammenarbeit zwischen den Erbschaftsteuerstellen und den Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung intensiviert werden.
Auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen unabhängig vom Steuerstrafverfahren im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu prüfen. In Fällen der Selbstanzeige (vgl. dazu auch Nr. 10.1) dürften daher auch bei bereits eingetretener Strafverfolgungsverjährung in der Regel Hinterziehungszinsen festzusetzen sein.
Die Regelungen unter den Nrn. 10.2 und 10.3 gelten entsprechend.
2.5 Kirchensteuer
Verkürzte Kirchensteuern sind nicht zu verzinsen, da § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen (Kirchensteuergesetz – KiStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.4.1975 (GV. NW. 1975 S. 438) die Anwendung der Vorschriften des Fünften Teils Zweiter Abschnitt der Abgabenordnung (Verzinsung, Säumniszuschläge) ausdrücklich ausschließt.
3. Zinslauf (siehe AEAO zu § 235, Nr. 4)
Ende des Zinslaufs bei verkürzten ESt-/KSt-/USt-Vorauszahlungen
Der Vorauszahlungsanspruch zur Einkommensteuer/Körperschaftsteuer ist auflösend bedingt und erlischt, wenn die Bedingung – jedenfalls mit der Festsetzung der Jahressteuer – eintritt.
Damit e...