Tenor

Der Bescheid des Bezirksamtes … von Berlin vom 3. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2001 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines auf § 38 SGB X gestützten Berichtigungsbescheides.

Dem Kläger war durch Bescheid vom 19. Juni 2000 für die Teilzeiträume Mai bzw. Juni bis Oktober 2000 ein monatliches Wohngeld von 248,– DM bzw. 303,– DM bewilligt worden.

Durch Bescheid vom 3. November 2000 berichtigte der Beklagte den Bescheid vom 19. Juni 2000 gemäß § 38 SGB X, weil die Behörde Schreibfehler. Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit berichtigen könne. Die Berichtigung sei erforderlich, da bei der Ermittlung des jährlichen anrechenbaren Einkommens für die Ehefrau des Klägers ein Schreibfehler unterlaufen sei. Die sich daraus ergebende Überzahlung von 1.763,– DM wurde zurückgefordert.

Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, der Betrag sei direkt auf das Konto seines Vermieters gezahlt worden, und im Übrigen habe er auf die Rechtmäßigkeit der Zahlungen vertrauen dürfen. Der Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 22. Februar 2001 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, aufgrund eines datentechnischen Schreibfehlers nämlich der Multiplikation des Monatsbetrages von 1.305,– DM mit 1 statt mit 12. sei es zu einem falschen Endergebnis gekommen. Dieser Schreibfehler sei objektiv und leicht erkennbar, so dass er wegen offenbarer Unrichtigkeit jederzeit berichtigt werden könne.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er bestreitet, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung vorlägen. Der Bescheid könne auch nicht in einem Rücknahmebescheid umgedeutet werden, da der Beklagte keinerlei Ermessen ausgeübt habe, wie es § 45 SGB X vorschreibe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bezirksamtes … von Berlin vom 3. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt.

die Klage abzuweisen.

Der fehlerhafte Anschlag einer Taste bei der Dateneingabe sei ein Bagatellfehler, der nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe, sondern durch Berichtigung des Bescheides zu beseitigen sei.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte verwiesen. Der den Kläger betreffende Wohngeldvorgang des Beklagten hat zur mündlichen Verhandlung vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass er aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 38 Satz 1 SGB X kann die Behörde Schreibfehler. Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Eine derartige offenbare Unrichtigkeit liegt hier nicht vor.

Die Vorschrift, auf die sich der Beklagte stützt, nennt als Beispiel für offenbare Unrichtigkeiten Schreib- und Rechenfehler. Dabei bezieht sich das Adjektiv „offenbar” nicht ausschließlich auf das Substantiv „Unrichtigkeiten”, dem es vorangestellt ist, sondern auch auf die zuvor erwähnten Schreib- und Rechenfehler (vgl. Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl. 2001, Rdnr. 4 zu § 38 m.w.N.). Schreib- und Rechenfehler setzen voraus, dass die gewollte mit der im Verwaltungsakt zum Ausdruck gekommenen Entscheidung nicht übereinstimmt, und die darauf folgende Berichtigung stellt lediglich klar, was wirklich gewollt war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2000 – 11 VR 4.99 – Buchholz 316 § 42 VwVfG Nr. 4). Schreibfehler liegen z.B. vor bei Orthographie-, Grammatik- und Interpunktionsfehlern oder fehlerhafter Übertragung aus einer Tabelle (vgl. Engelmann a.a.O.). Rechenfehler sind Unrichtigkeiten, die auf einem falschen Rechenvorgang beruhen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1979 – 3 C 75.78 – Buchholz 427.3 § 335 a LAG Nr. 65, S. 45 [49]: „weil die Behörde den sich aus dem Prozentsatz von 23,8 ergebenden Anteil fehlerhaft errechnet, und sie sich zusätzlich in einer Kommastelle geirrt hat”; VG Schleswig, Urteil vom 31. März 1987 – 13 A 89.86 –: Verrücken des Kommas bzw. des Punkts um 2 Stellen nach links bei 26.771,00 DM zu 267,71 DM). Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind Fehler, die Schreib- und Rechenfehlern qualitativ gleichstehen, z.B. bei computergefertigten Wohngeldbescheiden ein Fehler im Rechenzentrum (BVerwGE 48, 336 [338]; BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 1985 – 7 B 193.85 – Buchholz 316 § 42 VwVfG Nr. 3 zur Berichtigung eines Studentenausweises mit der Eintragung Zahnmedizin statt Wirtschaftswissenschaften). Auch beim Erstellen eines EDV-Programms können „mechanische” Fehler auftreten, die eine Berichtigung rechtfer...

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