Entscheidungsstichwort (Thema)

Militärfluglärms

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, Tiefflüge mit Strahlflugzeugen der Bundeswehr im Luftraum von 150 bis 300 m über den Grundstücken des Klägers, auf denen er in … ein Krankenhaus betreibt, vor Eintritt des Spannungs- bzw. vor Feststellung des Verteidigungsfalles zu unterlassen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kostenschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abzuwenden, sofern nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger betreibt auf einer ihm gehörenden Liegenschaft im Ortsteil … der Gemeinde … ein Krankenhaus. Mit seiner Klage wendet er sich gegen den Lärm, dem dieses Krankenhaus durch Tiefflüge der Bundeswehr ausgesetzt ist.

Das Kreiskrankenhaus befindet sich ebenso wie mehr als zwei Drittel der Fläche der Bundesrepublik Deutschland in einem Gebiet, über dem die Bundeswehr Tiefflüge mit strahlgetriebenen Kampfflugzeugen durchführt. (Vom Tiefflug ausgespart bleiben Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern, Kontrollzonen um zivile und militärische Flugplätze, ständige und vorübergehende Schutzzonen, Sperrgebiete, die Flugüberwachungszone gegenüber DDR und CSSR sowie die Grenzabstandslinie gegenüber Österreich und der Schweiz.) Während die Bundeswehr in sieben besonderen „Tiefstfluggebieten” nur eine Mindesthöhe von 75 m über Grund einhält, ist in den übrigen Tieffluggebieten eine Mindestflughöhe von 150 m in der den militärischen Flugbetrieb der Bundeswehr ordnenden Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 19/2 (Flugbetriebsordnung für die Bundeswehr) i.V.m. Anlage 1 Besondere Anweisung für den Flugbetrieb Nr. 1/77 „Tiefflug” (BesAnFb 1/77) vorgeschrieben. Die obere Grenze für Tiefflüge liegt bei 450 m über Grund (Nr. 101 BesAnFb 1/77). Für Tiefflüge, die stets nach Sichtflugregeln erfolgen, sind bestimmte Wettermindestbedingungen vorgeschrieben (vgl. Nr. 108 BesAnFb 1/77). Grundsätzlich sind Tiefflüge nur zulässig von Montag bis Freitag, ausgenommen Feiertage, zwischen 7.00 Uhr und 17.00 Uhr Ortszeit; während des Zeitraums 1. Mai bis 31. Oktober ist eine Mittagspause zwischen 12.30 Uhr und 13.30 Uhr Ortszeit einzuhalten (Nr. 106 BesAnFb 1/77). Die maximale Tiefflugplanungsgeschwindigkeit beträgt etwa 835 km/h (vgl. BMVg (Hrsg.), Bundeswehr und Umweltschutz, 5. Auflage 1988, S. 21).

Tiefflüge können nur an durchschnittlich 110 Tagen im Jahr – hauptsächlich in den Sommer- und Herbstmonaten – durchgeführt werden, da sonst die vorgeschriebenen Wettermindestbedingungen nicht gegeben sind (vgl. Bl. 168 R G.A.).

An Übungen im Tiefflug besteht deshalb militärisches Interesse, weil überraschend auftauchende Luftfahrzeuge, die im schnellen Tiefstflug Geländeabschattungen ausnutzen, vom Gegner nicht wirkungsvoll vom Boden aus zu bekämpfen sind.

Im Tiefflug ausgebildet werden nach Angaben der Beklagten ca. 850 Bundeswehrangehörige, die jährlich ca. 19.000 Stunden im Ausland und ca. 25.000 Stunden im Bundesgebiet im Tiefflug üben (vgl. Bl. 398 f. G.A.). Dem steht ein Tiefflugaufkommen der Alliierten von ca. 45.000 Stunden im Inland gegenüber. Erhebliche Teile der fliegerischen Ausbildung werden im Simulator ausgeführt.

Im Luftraum über der nördlichen …, wo das Krankenhaus des Klägers liegt, kommt es zu Verkehrsverdichtungen bei militärischen Tiefflügen, da die Kontrollzonen der Großräume …, sowie … umflogen werden müssen. Während die Beklagte 1982 durch Hochrechnung ermittelt hat, daß das Gebiet, in dem das Kreiskrankenhaus liegt, von ca. 1.000 bis 2.000 Überflügen pro Jahr berührt wird (vgl. Bl. 101 G.A.), hat der Bundesminister der Verteidigung gegenüber der Hessischen Landesregierung die durchschnittliche Überflughäufigkeit im südlichen Teil des Kreises … im Jahre 1986 mit 250 bis 500 Tiefflügen angegeben (vgl. LT-Drucksache 12/2627 vom 11.7.1988).

Der von tieffliegenden Kampfflugzeugen erzeugte Lärm wurde mehrmals gemessen. Einer gutachtlichen Stellungnahme der Hessischen Landesanstalt für Umwelt vom 5.2.1980 (Bl. 22–28 G.A.) ist zu entnehmen, daß u.a. in … am 12.6.1979 ein höchster Überflugpegel von 108 d.B. (A), am 26.6.1979 ein höchster Überflugpegel von 110 d.B. (A) und in … am 6.9.1979 ein höchster Überflugpegel von 102 d.B. (A) gemessen worden ist. Von … und … durchgeführten Fluglärmmessungen in … vom Mai bis Oktober 1983 ist zu entnehmen, daß am 18.5.1983 ein maximaler Pegel von 105 d.B. (A) registriert wurde, am 8.6.1983 waren es 108 d.B. (A), am 22.7.1983 107 d.B. (A) und am 13.10.1983 101 d.B. (A). Bei seitlichem Überflug nimmt mit zunehmendem Abstand die Lärmentwicklung demgegenüber deutlich ab.

Die Bundeswehr übt in Flughöhen im Bereich von ca. 30 bis 50 m über Grund und bei Fluggeschwindigkeiten von ca. 850 bis 1.100 km/h im Ausland, insbesondere in Kanada (Goose Bay, vgl. Bl. 252 d, 252 e G.A.). Die Zahl der...

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