Entscheidungsstichwort (Thema)
Eilrechtsschutz gegen einen Einberufungsbescheid. Anspruch auf Zurückstellung vom Wehrdienst wegen besonderer Härte gemäß § 12 Abs. 4 WPflG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine bereits begonnene betriebsinterne Weiterqualifizierungsmaßnahme ist keine Berufsausbildung i.S. d. § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3e WPflG und rechtfertigt daher keine Zurückstellung vom Wehrdienst wegen einer besonderen Härte.
2. Ein Rückgriff auf die allgemeine Härteklausel des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG kommt in Fällen einer sich eröffnenden Berufsmöglichkeit nur dann in Betracht, wenn durch die Einberufung eine einmalige Chance, einen herausragenden Beruf zu ergreifen, endgültig verlorenginge.
3. Die Übernahme des Arbeitnehmers in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ist nunmehr durch § 2 Abs. 5 Satz 3 ArbPlSchG geschützt und kann einen Zurückstellungsanspruch wegen besonderer Härte nicht mehr begründen.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 3; WPflG § 12 Abs. 4 Sätze 1, 2 Nr. 3e, § 33 Abs. 4 S. 2, § 35 S. 1; ArbPlSchG § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 2 S. 3, Abs. 5 S. 3
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
Der am 30.03.2010 bei Gericht eingegangene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (AZ: 2 K 257/10) des Antragstellers gegen den Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes S… vom 18.02.2010 in Form des Widerspruchsbescheides der Antragsgegnerin vom 18.03.2010, mit dem der Antragsteller zur Ableistung des neunmonatigen Grundwehrdienstes ab dem 01.04.2010 eingezogen wurde, ist gemäß §§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, 35 Satz 1 WPflG zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen einen Einberufungsbescheid (vgl. §§ 33 Abs. 4 Satz 2, 35 Satz 1 WPflG) hat der Gesetzgeber seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass im Regelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Einberufungsbescheides dem privaten Interesse des Wehrpflichtigen, den Grundwehrdienst vor der Entscheidung über einen von ihm eingelegten Rechtsbehelf nicht leisten zu müssen, vorgeht. Als Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann geboten, wenn entweder schon im Anordnungsverfahren festgestellt werden kann, dass der Wehrdienstpflichtige die ihm durch den Einberufungsbescheid auferlegte Pflicht zur Grundwehrdienstleistung mit überwiegender Aussicht auf Erfolg bestreitet, oder wenn zwar der endgültige Ausgang des Hauptsacheverfahrens noch offen ist, die Vollziehung der Einberufung den Wehrpflichtigen jedoch so hart treffen würde, dass demgegenüber der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses durch eine Aussetzung geringeres Gewicht zukommt.
vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 04.03.1994 – 8 C 1.94 –, Buchholz 448.11, § 74 ZDG Nr. 1 und vom 26.06.1996 – 8 C 11.96 –, Buchholz 448.0, § 12 WPflG Nr. 192.
Aufgrund der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung bestehen an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einberufungsbescheides keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Insbesondere steht dem Antragsteller kein Anspruch auf Zurückstellung vom Wehrdienst wegen einer besonderen Härte gemäß § 12 Abs. 4 WPflG zu.
Unter den in § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG vom Gesetzgeber speziell umschriebenen Regeltatbeständen einer besonderen Härte kommt hier nur derjenige nach Nr. 3e in Betracht. Eine besondere Härte liegt danach in der Regel vor, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen eine bereits begonnene Berufsausbildung unterbrechen oder die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde. Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist zwischen der durch sie in bestimmtem Ausmaß geschützten Ausbildung einerseits und der beruflichen Fortbildung andererseits zu unterscheiden. Nicht unter den Schutz der Vorschrift fallen solche Lernvorgänge, die keine zusätzliche Befähigung oder Berechtigung verschaffen, sondern lediglich Fortbildung im ausgeübten Beruf sind, mit der das berufliche Wissen und Können vertieft werden soll
vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.2006 – 6 C 22.05 –, Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 209, m.w.N..
Nach dem Vortrag des Antragstellers wird er derzeit im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages als Leiharbeitnehmer an einer computergesteuerten Maschine im Bereich der Reifenherstellung angelernt, wobei die Anlernphase nach schriftlicher Bestätigung des beschäftigenden Betriebes insgesamt 8 Monate beträgt und den Antragsteller dazu befähigen soll, ab 01.07.2010 an einem Roboter zur Herstellung von Drahtringen zum Einsatz zu kommen. Auch wenn die Ausbildung an dieser Maschine – wie in der Bescheinigung des beschäftigenden Betriebes vom 30.03.2010 zum Ausdruck gebracht wird – lang, arbeitsintensiv und teuer ist, da die Bedienung technische Kenntnisse erfordert und wenige Toleranzen zulässt, handelt es sich dennoch nicht um eine Berufsausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Nr. 3e WPflG, sondern lediglich um eine betriebsinte...