Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauordnungsrecht: Einstweiliger Rechtsschutz gegen Nutzungsuntersagung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer mehr als 20 Jahre ohne die erforderliche Baugenehmigung unbeanstandet durchgeführten Nutzung eines Gebäudes bedarf es einer besonderen Begründung, warum eine sofortige Unterbindung der Nutzung erforderlich ist. Der bloße Hinweis auf das mit der Baugenehmigungspflicht verbundene Verbot der ungenehmigten Nutzung und die Gefahr der Verfestigung der unzulässigen Nutzung reichen in diesem Fall nicht aus.

2. Bei einer Nutzungsuntersagung, die dem Gebäudeeigentümer die weitere Nutzung des Hauses zur Vermietung von Wohnungen untersagt, bedarf es einer Fristsetzung, damit die Mieter die Möglichkeit haben sich Ersatzwohnungen zu suchen und ihre Wohnungen zu räumen.

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 17.05.2010 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 06.05.2010, in der Fassung die er durch den Bescheid vom 27.05.2010 erhalten hat, wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 12.000,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 07.05.2010 für das Haus.

I.

Das Grundstück Gemarkung, auf dem sich das Gebäude des Antragstellers befindet, liegt in der bebauten Ortslage der Kreisstadt.

Für das Gebäude wurde mit Bauschein vom 28.10.1938 – Az. – die Baugenehmigung zum Umbau eines Hotels erteilt. Nach Angaben des Antragstellers, der das Gebäude im Jahr 2008 erworben hat, wird das Haus seit den 1980er Jahren nicht mehr als Hotel genutzt, sondern es werden kurz- und längerzeitig Zimmer vermietet. Das Erdgeschoss wird für den Betrieb einer Spielhalle genutzt.

Bei einer am 26.01.2010 durchgeführten Gefahrenverhütungsschau wurden Mängel im Brandschutz festgestellt. Daraufhin wurde dem Antragsteller mit Bescheid vom 26.04.2010 die Durchführung verschiedener Maßnahmen zur Verbesserung des Brandschutzes aufgegeben. Ein Teil der Maßnahmen war unverzüglich durchzuführen, der Rest bis zum 30.06.2010.

Mit Bescheid vom 04.02.2010 wurde der Antragsteller aufgefordert, für die in seinem Gebäude ohne Genehmigung vorgenommene Nutzungsänderung eines Hotels in Appartements Bauvorlagen einzureichen. Gegen diesen am 09.02.2010 zugestellten Bescheid erhob der Antragsteller am 04.03.2010 Widerspruch.

Mit Bescheid vom 06.05.2010 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs untersagt, ab Zustellung des Bescheides das Erdgeschoss als Spielhalle und ab dem 1. Stockwerk als Wohnhaus zu nutzen. In dem Bescheid hat sie außerdem gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet und ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,– Euro angedroht und aufschiebend bedingt festgesetzt. Gegen die Mieter der Zimmer und den Betreiber des Spielsalons hat sie Duldungsverfügungen erlassen.

Zur Begründung führte sie aus, es liege keine Baugenehmigung für die Nutzung des Gebäudes zu Dauerwohnzwecken vor. Ob eine Genehmigung erteilt werden könne, hänge vom Ausgang des Baugenehmigungsverfahrens ab, wobei der Antragsteller trotz Aufforderung bisher keinen prüffähigen Bauantrag vorgelegt habe. Außerdem bestünden an dem Gebäude erhebliche Mängel im Brandschutz. Die Nutzungsuntersagung sei bereits auf Grund der formalrechtlichen Illegalität gerechtfertigt. Die Anordnung des Sofortvollzuges erfolge, weil nur so das mit der Baugenehmigungspflicht verbundene Verbot der ungenehmigten Nutzung des ehemaligen Hotels zu Dauerwohnzwecken wirksam erfüllt werden könne und die Gefahr bestehe, dass sich die unzulässige Nutzung weiter verfestige. Der Sofortvollzug sei außerdem erforderlich, um die aufgrund der brandtechnischen Mängel festgestellte akute Gefahr für Leben und Gesundheit der Bewohner und Besucher des Gebäudes einzudämmen.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 18.05.2010 bei der Antragsgegnerin Widerspruch erhoben.

Nachdem der Antragsteller die von ihm unverzüglich zu behebenden brandtechnischen Mängel beseitigt hatte, wurde mit Bescheid vom 27.05.2010 die Nutzungsuntersagung bezüglich der Spielhalle aufgehoben und hierüber der Betreiber des Spielsalons informiert.

Mit dem bei Gericht am 18.05.2010 gestellten Antrag macht der Antragsteller geltend, es fehle keine Baugenehmigung für die derzeitige Nutzung, weil die Genehmigung für einen Hotelbetrieb auch die Nutzung zu Dauerwohnzwecken erfasse. Außerdem habe sich die Nutzung des Gebäudes in den letzten 30 bis 35 Jahre nicht geändert. Es bestehe keine akute Gefahr für Leib und Leben der Bewohner, da die brandtechnischen Mängel, die sofort hätten beseitigt werden müssen, behoben seien. Für die Erledigung der anderen Mängel habe die Feuerwehr eine Frist gesetzt, die noch nicht abgelaufen sei. Dem vorherigen Eigentümer des Gebäudes seien von der Unteren Bauaufsichtsbehörde keine Auflagen gemacht worden.

Er beantragt,

1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und einer ev...

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