Leitsatz (amtlich)
Ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären, ob es sich bei einer streitbefangenen Wegstrecke um eine öffentliche Straße im straßenrechtlichen Sinne handelt, ist diese jedoch allem Anschein nach eine (auch) für den Kraftfahrzeugverkehr einschließlich Lkw gewidmete öffentliche Straße, so spricht bei nur möglicher überschlägiger Prüfung bereits vieles dafür, dass eine verkehrsrechtliche Regelung, mit welcher die betreffende Straße für den Kraftfahrzeugverkehr vollständig gesperrt wird, rechtswidrig sein dürfte, weil auf diese Weise mit Hilfe des Verkehrsrechts ein Zustand hergestellt wird, der rechtmäßig nur mit einer zuvörderst vorzunehmenden, straßenrechtlichen Teil-Einziehung der betreffenden Straße erreicht werden könnte. Vor diesem Hintergrund gebührt im Rahmen einer hauptsacheoffenen Abwägung dem privaten Interesse des auf die betreffende Zufahrtsstraße als Gewerbetreibender/Verpächter angewiesenen Anliegers der Vorrang, so dass die aufschiebende Wirkung dessen Rechtsbehelfs gegen die Verbotsbeschilderung anzuordnen ist.
Normenkette
SStrG § 3 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerinnen gegen die Verkehrsregelung, die der Antragsgegner durch „Verkehrspolizeiliche Anordnung” vom 1.10.2007 (Amtliche Bekanntmachung in der Wadgasser Rundschau, Ausgabe 41/2007, S. 2) für ein „Teilstück des Leinpfades (Saarradweg) zwischen Hostenbach und A-Stadt” in 66787 Wadgassen durch Aufstellen des Verkehrszeichens 250 – „Verbot für Fahrzeuge aller Art” – mit dem Zusatzzeichen 1022-10 („Radfahrer frei”) vorgenommen hat, wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.
Gründe
Das Begehren der Antragstellerinnen, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die im Tenor bezeichnete, zum Schutz des Rad- und Fußgängerverkehrs durch den Antragsgegner verfügte Straßensperrung anzuordnen, hat Erfolg.
Der Antrag ist statthaft, denn er bezieht sich auf eine Verkehrsregelung durch ein Verkehrszeichen, welche gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO analog von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist, so dass die fehlende aufschiebende Wirkung des Widerspruchs im vorliegenden Verfahren gerichtlich angeordnet werden kann.
Vgl. dazu Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 15. Aufl. 2007, § 80 Rdnr. 64
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
Insbesondere sind die Antragstellerinnen im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt, denn sie machen nachvollziehbar geltend, durch die angegriffene Verkehrsregelung in ihren Rechten als Anlieger bzw. Eigentümer eines im betroffenen Straßenabschnitt gelegenen Betriebsgrundstücks verletzt bzw. hierdurch einem enteignungsgleichen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ausgesetzt zu sein. Im Einzelnen tragen sie neben Zweifeln an der Zuständigkeit des Antragsgegners für die umstrittene verkehrsrechtliche Regelung hauptsächlich vor, die verfügte Sperrung durch das Verkehrsschild mit dem Zeichen 250 (Verbot für alle Fahrzeuge) mit dem Zusatzzeichen 1022-10 (für Radfahrer frei) hindere rechtstreue Kraftfahrer daran, das im vom Verbot betroffenen Straßenabschnitt gelegene Grundstück anzufahren, welches der Antragstellerin zu 2 gehöre und auf welchem die Antragstellerin zu 1 als Pächterin des Geländes mit behördlicher Genehmigung eine Anlage zum Umschlagen, Sortieren und Verkleinern von Abfällen betreibe. Es liege daher außer der Verletzung des Anliegerrechts ein rechtswidriger Eingriff in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb vor, weil wegen der Sperrung der bisherige, dem Genehmigungszweck entsprechende Betrieb der Anlage, zu welchem das mehrmals tägliche Anfahren mit Lkw der Antragstellerinnen und sonstiger Abfallanlieferer gehöre, entweder nicht oder nur unter ständigem, bußgeldbewehrtem Verstoß gegen die nunmehr geltende Verkehrsregelung weitergeführt werden könne. Dadurch seien Investitionen von mehr als 1,5 Millionen EUR und 25 mit staatlicher Förderung geschaffene Arbeitsplätze gefährdet. Die vom Antragsgegner verhängte Nutzungseinschränkung an der Zufahrtsstraße zu ihrem Betriebsgelände stelle eine gesetzeswidrige Umgehung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften dar, denn es hätte hierzu (zuvörderst) einer straßenrechtlichen „Umwidmung” bedurft.
Die Antragstellerinnen haben hiermit die mögliche Verletzung in eigenen Rechten schlüssig dargelegt, denn das von ihnen reklamierte Anliegerrecht an einer öffentlichen Straße umfasst sowohl den nach Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Kernbereich der unverzichtbaren Anbindung des Grundstücks an das Straßennetz als auch Abwehransprüche gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG gegen eine rechtswidrige Beschränkung oder Aufhebung des Gemeingebrauchs an einer Straße.
Vgl. etwa Urteile der Kammer vom 30.5.2007, 10 K 33/07 und vom 11.7.2007, 10 K 34/07, s...