Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbarrechtswidrigkeit einer Baugenehmigung für ein Einkaufszentrum
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall eines Verstoßes einer Baugenehmigung für ein Einkaufszentrum gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf die genehmigte Ausführung der Ladezone.
Normenkette
BauGB § 35
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15.04.2009 gegen die Baugenehmigung vom 30.03.2009 – Az. …-… – wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Streitwert wird 7.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Einkaufzentrums mit 118 Pkw-Stellplätzen.
I.
Die Antragstellerin ist Miteigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Anwesens A…-Straße in A…-Stadt-…, das mit seiner Nordseite an das Vorhabengrundstück angrenzt.
Mit dem im Streit stehenden Bauschein vom 30.03.2009 – erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen, gestützt auf § 33 BauGB im Hinblick auf den zu diesem Zeitpunkt in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan “Änderung und Erweiterung des Bebauungsplans “Einkaufszentrum A…-Stadt” mit Teiländerung des Bebauungsplans “A…”, die Genehmigung zum Neubau eines Einkaufzentrums und zur Anlegung von 118 Pkw-Stellplätzen. Ausweislich der genehmigten Pläne wird auf dem Vorhabengrundstück ein Einkaufszentrum bestehend aus einem Discountmarkt (Penny), einer Bäckerei, einer Metzgerei sowie einem Textilmarkt (Kik) errichtet. Das Einkaufszentrum steht im rückwärtigen Bereich des Grundstücks, wobei der Discountmarkt zum Grundstück der Antragstellerin hin orientiert ist. Die Ladezone des Discountmarktes, die sich auf der Südseite des Gebäudes befindet, ist 8,28 m von der Grenze des Grundstücks der Antragstellerin entfernt. Die Ladezone ist im hinteren Bereich auf eine Länge von 9,16 m überdacht, davor befindet sich zum Grundstück der Antragstellerin hin eine 2 m hohe Lärmschutzwand. Außerdem ist auf der Grenze eine weitere Lärmschutzwand mit einer Höhe von 2 m geplant.
Gegen die ihr am 31.03.2009 förmlich zugestellte Baugenehmigung erhob die Antragstellerin am 15.04.2009 beim Antragsgegner Widerspruch.
Bei Gericht hat die Antragstellerin am 06.05.2009 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung beantragt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Baugenehmigung könne nicht auf § 33 BauGB gestützt werden, da dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Der von der Gemeinde A…-Stadt beschlossene Bebauungsplan sei offensichtlich fehlerhaft. Außerdem verstoße die erteilte Baugenehmigung gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung des Antrages und trägt vor, die Baugenehmigung verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls die Zurückweisung des Antrages.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15.04.2009 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 30.03.2009 anzuordnen, ist zulässig und begründet.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist zulässig, insbesondere ist er nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Hs. i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft, da Widerspruch und Anfechtungsklage bei Baugenehmigungen nach § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung haben. Er hat auch in der Sache Erfolg.
Die im Rahmen dieses Verfahrens vorzunehmende summarische Überprüfung nach Maßgabe der §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO setzt für die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs eine Verletzung der dem Schutz der Antragsteller dienenden Rechte mit “überwiegender Wahrscheinlichkeit” voraus, die bereits mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilrechtschutzverfahrens festgestellt werden kann. Dieser Maßstab ergibt sich aus der in § 212a Abs. 1 BauGB enthaltenen Entscheidung des Gesetzgebers, die aufschiebende Wirkung des Nachbarwiderspruches gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens grundsätzlich auszuschließen.
Vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 09.08.2001 – 2 V 4/01 – AS RP-SL 29, 182 = BRS 64 Nr. 191, vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 – und vom 15.01.2009 – 2 B 376/07 – m.w.N..
Der Erfolg einer baurechtlichen Nachbaranfechtung setzt voraus, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht nur rechtswidrig ist, sondern darüber hinaus gerade den Nachbarn in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt. Ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist, ist nicht maßgeblich. Vielmehr ist die Baugenehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen. Der Nachbar kann sich nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 –...