Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrecht: Kostenerstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern. zuständiger Leistungsträger für Heimbetreuungsleistungen bei seelischer und geistiger Behinderung eines Jugendlichen
Normenkette
SGB X § 103 Abs. 1, § 104; SGB VIII § 10 Abs. 2, 4
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 114.286,47 Euro zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger beansprucht von dem Beklagten die Erstattung der Kosten für die Heimpflege des am 17.03.1985 geborenen M K für die Zeit ab dem 17.02.2003.
Für diesen gewährte der Kläger seit 31.07.1989 Jugendhilfeleistungen in Form von Heimpflege, nachdem seine inzwischen verstorbene Mutter infolge von Alkoholproblemen nicht in der Lage war, ihren Sohn in ausreichendem Maße zu versorgen und zu erziehen. Der Hilfeempfänger lebte bis zum 15.05.2006 in einer Wohngruppe des Hanns-Joachim-Hauses in Eschringen. Zum genannten Zeitpunkt hat er die Hilfe auf eigenen Wunsch beendet. Die Notwendigkeit der Unterbringung des Hilfeempfängers wurde damit begründet, dass er große Defizite in seinem Sozialverhalten und im emotionalen Bereich aufweise, so dass eine heilpädagogisch orientierte Betreuung notwendig sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die den Hilfeempfänger betreffenden Entwicklungsberichte und Hilfepläne Bezug genommen, die sich in den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Klägers befinden.
Nachdem sich im Laufe der Hilfegewährung Anhaltspunkte für eine Behinderung des Kindes ergeben hatten, erbat der Kläger eine Begutachtung des Hilfeempfängers durch das Gesundheitsamt des Stadtverbandes Saarbrücken. In dessen Stellungnahme vom 05.02.2003 heißt es, dass bei dem Hilfeempfänger eine leichte geistige Behinderung bei einem IQ von 66 vorliege. Seine früheren Verhaltensstörungen wurden als Kompensation einer ständigen Überforderungssituation gesehen. Eine Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde verneint. Aus amtsärztlicher Sicht sei die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 39 BSHG gegeben. Der Hilfeempfänger benötige auch nach Volljährigkeit eine längerfristige Betreuung in einem geschützten Rahmen. Aufgrund der geistigen Behinderung sei er auf absehbare Zeit nicht in der Lage, selbstständig zu leben.
Mit Schreiben vom 17.02.2003, das bei dem Beklagten am darauf folgenden Tag einging, meldete der Kläger vorsorglich einen Erstattungsanspruch auf die anfallenden Kosten für den Hilfeempfänger an.
Mit Schreiben vom 30.07.2003 lehnte der Beklagte die Fallübernahme und Kostenerstattung ab. Er berief sich auf eine Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes vom 04.03.2003, wonach die emotionale instabile Persönlichkeitsstörung und damit die seelische Behinderung des Hilfeempfängers im Vordergrund stehe.
Der Kläger ließ daraufhin den Hilfeempfänger durch eine Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie begutachten. In deren Stellungnahme vom 13.10.2003 heißt es, bei dem Jungen liege eindeutig eine geistige Behinderung mit Alkoholembryopathie vor. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG sei gegeben. Es liege eine schwere geistige Behinderung, bereits Grenze zur Imbezillität, vor.
Der Beklagte ließ den Hilfeempfänger daraufhin erneut von seinem Ärztlichen Dienst überprüfen. In der Stellungnahme vom 31.03.2004 heißt es, bei dem Hilfeempfänger liege eine leichte geistige Behinderung mit einem Gesamt-IQ von 64 vor. Auch eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung sei zu verzeichnen, diese sei teilweise durch Überforderung bei eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten zu erklären. Der Hilfeempfänger sei zwar in der Lage, in einzelnen Situationen neue Strategien zu erlernen, er sei jedoch vermutlich aufgrund seiner eingeschränkten Intelligenz nicht fähig, diese Strategien zu verallgemeinern, so dass es zu einer generellen Verhaltensverbesserung komme. Daher sei die seelische Behinderung mit der Intelligenzminderung verknüpft, so dass sich beide wechselseitig verstärkten und die Verhaltensstörung sicherlich auch durch die Intelligenzminderung zu einer wesentlichen Behinderung geworden sei. Eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung ohne Intelligenzminderung führe in der Regel nicht zur Eingliederung in eine Werkstatt für behinderte Menschen. Prognostisch erscheine eine selbständige Lebensführung für die Zukunft eher unwahrscheinlich. Der Beklagte teilte dem Kläger sodann unter Bezugnahme auf die erneute Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes mit, dass sich der Hilfeempfänger in verschiedenen Bereichen der Landwirtschaft orientiert und gute Kenntnisse erworben habe. Er sei in der Gruppe als leistungsstarker Mitarbeiter anerkannt. Nach Einschätzung seiner Anleiter sei es ihm mögl...