Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Berücksichtigung der EU-Qualifikationsrichtlinie bei der Entscheidung in anhängigen Klageverfahren

 

Normenkette

AufenthG § 60 Abs. 1, 7; AsylVfG § 77 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der 23-jährige serbische Kläger begehrt mit seiner Klage die Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten und politischen Flüchtling im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG anzuerkennen oder ihm hilfsweise Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu gewähren. Nach seinen Angaben gehört er zur Volksgruppe der im Kosovo beheimateten Roma, stammt aus dem Ort Zrze bei Rahovec/Orahovac, spricht ausschließlich albanisch und ist am 17.1.2006 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Rund zwei Wochen nach der Einreise stellte er einen Asylantrag.

Zur Begründung gab er in der Anhörung bei der Beklagten im Wesentlichen Folgendes an: Im Kosovo lebten ein Bruder und vier Schwestern – wie zuvor auch er selbst – noch bei den Eltern. Eine weitere Schwester sei verheiratet und wohne in der Nähe von Suhareke/Suva Reka (Kosovo); ein weiterer Bruder, der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet sei, lebe – ebenso wie ein Onkel und eine Tante – in Deutschland (A-Stadt). Die wirtschaftliche Lage seiner Familie im Kosovo sei schlecht gewesen. Man habe davon gelebt, Blechdosen auf der Straße zu sammeln und gegen Entgelt bei einer Sammelstelle abzuliefern. Seitdem die Serben den Kosovo verlassen hätten, habe es immer wieder Probleme mit den Albanern gegeben. Man werde als Roma-Angehöriger misshandelt, geschlagen und beleidigt sowie sogar zu Zwangsarbeiten herangezogen. Beim Dosensammeln sei er immer wieder geschlagen worden. Einmal, und zwar im Jahre 2001 oder 2002, sei er bei dieser Tätigkeit von einem Traktor angefahren worden, der sein Bein überrollt habe. Zwei oder drei ihm unbekannte Leute hätten auf dem Traktor gesessen und seien einfach weitergefahren, ohne sich um ihn zu kümmern. Später sei er ärztlich versorgt worden und habe einen Gipsverband erhalten. Da er nicht in der Lage gewesen sei, irgendwelche Angaben zu den Personen auf dem Traktor zu machen, habe die von ihm über den Vorfall verständigte KAFOR nichts unternehmen können. Abgesehen davon hätten ihm ebenfalls unbekannte Albaner aus einem drei bis vier Kilometer entfernten Nachbarort seinen Vater und ihn immer wieder mitgenommen und zu Feld- und Gartenarbeiten gezwungen. Dies sei jede Woche, zuletzt etwa im Frühjahr 2005, geschehen. Als er vor ca. zwei Jahren auf der Straße in eine Schlägerei mit Albanern verwickelt gewesen sei, habe die herbeigerufene Polizei nicht geholfen, sondern stattdessen ihn beschimpft. Auch als sein in Deutschland lebender Bruder sie im Urlaub besucht gehabt habe, sei es auf der Straße zu einer Schlägerei mit Albanern gekommen. Die Polizei habe daraufhin seinen Bruder und ihn kurz festgenommen, sie aber nach der Vorsprache seiner Schwägerin wieder freigelassen. All diese Übergriffe seitens der Albaner rührten allein daher, dass diese die Angehörigen des Volks der Roma nicht leiden könnten. Weitergehende Hilfe durch die KAFOR oder Einrichtungen der UNMIK habe man nicht in Anspruch genommen, weil die Albaner dies unter Drohungen untersagt hätten. Zuletzt sei die Familie zwar finanziell von dem in Deutschland lebenden Bruder unterstützt worden, so dass man keine Dosen mehr habe sammeln müssen. Schließlich habe er aber die gesamte Situation in der Heimatregion nicht mehr ertragen und sich deshalb zur Ausreise entschlossen. Mit 3000 EUR, die seine Verwandten in Deutschland aufgebracht hätten, habe er den Schlepper bezahlt.

Mit Bescheid vom 17.2.2006 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote weder gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG noch nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen und forderte den Kläger unter der Androhung, ihn nach Serbien und Montenegro abzuschieben, zur Ausreise auf. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, dass sich der Kläger wegen seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG bzw. § 26 a Abs. 1 AsylVfG nicht auf das Asylgrundrecht berufen könne und auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG vorliege. Was die vom Kläger angegebene Volkszugehörigkeit anbelange, könne zwar nach dessen äußerer Erscheinung davon ausgegangen werden, dass er tatsächlich Angehöriger einer ethnischen Minderheit im Kosovo sei; es bestünden allerdings Zweifel, ob er gerade der Volksgruppe der Roma angehöre, denn nach seinen Angaben spreche er ausschließlich albanisch, was zumindest ungewöh...

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