Entscheidungsstichwort (Thema)
Aberkennung des Gebrauchsrechts eines EU-Führerscheins im Inland. Wohnsitzerfordernis. Ermittlungsmaßnahmen des Aufnahmemitgliedstaates
Leitsatz (amtlich)
Ermittlungsmaßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde des Aufnahmemitgliedstaates stehen jedenfalls dann mit der Rechtsprechung des EUGH in Einklang und sind auch geboten, wenn sie unter maßgeblicher Beteiligung und Amtshilfe des Ausstellermitgliedstaates stattfinden.
Normenkette
VwGO §§ 75, 80; StVG §§ 2a, 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 Nr. 3; FeV § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 7, § 13 Nr. 2, § 46 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, durch die ihm das Recht aberkannt wurde, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.
Der Kläger ist im Zeitraum von 1986 bis 1992 durch drei Trunkenheitsfahrten strafrechtlich in Erscheinung getreten, nämlich durch Fahrten am 26.11.1986 mit 1,43 Promille, am 18.03.1989 mit 1,46 Promille sowie am 22.10.1992 mit 1,19 Promille. Das zuletzt eingeholte medizinisch-psychologische Gutachten des TÜV Pfalz vom 17.01.1996 kam zu dem Ergebnis, es sei nicht zu erwarten, dass der Kläger auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Gleichwohl fiel der Kläger bereits am 06.10.1996 durch eine erneute Trunkenheitsfahrt mit 1,23 Promille auf. Deswegen wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Schleiden vom 29.08.1997 zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt und ihm unter Anordnung einer Sperrzeit von zwei Jahren die Fahrerlaubnis entzogen. In der Folgezeit erfolgten weitere Verurteilungen des Klägers wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 08.02.2001 sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch Urteile des Amtsgerichts Merzig vom 30.11.1999 und 17.01.2003. Die durch letztgenanntes Urteil gegen den Kläger verfügte Sperrfrist endete am 24.01.2004.
Unter dem 01.10.2007 erwarb der Kläger in Tschechien die Fahrerlaubnis der Klassen A und B, in der als Wohnort des Klägers der tschechische Ort S… eingetragen ist. Nachdem der Beklagte hiervon durch eine Mitteilung der Grenzpolizeistation W… und einer Anfrage des Polizeipräsidiums Westpfalz Kenntnis erlangte und Nachforschungen beim Einwohnermeldeamt der Gemeinde A…-Stadt ergeben hatten, dass der Kläger seit dem 01.12.1998 ununterbrochen an seiner jetzigen Wohnadresse gemeldet ist, teilte er dem Kläger mit Schreiben vom 25.02.2008 mit, dass beabsichtigt sei, ihm das Recht abzuerkennen, mit der ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.
Durch Bescheid vom 04.04.2008 erkannte der Beklagte dem Kläger das Recht ab, mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen und forderte ihn zwecks Eintragung der Aberkennung zur Vorlage des Führerscheins nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung auf. Zugleich wurde eine Gesamtgebühr von 154,75 Euro (Verwaltungsgebühr und Zustellungskosten) festgesetzt. Zur Begründung heißt es, dass aufgrund der Verurteilungen des Klägers eine Fahrerlaubnis in Deutschland nur hätte erteilt werden können, wenn die Kraftfahreignung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten nachgewiesen worden wäre. Zwar habe der Kläger bei der medizinisch-psychologischen Begutachtung (MPU) vom 29.12.1995 ein positives Gutachten erhalten, weil die Gutachter damals von einer stabilen Alkoholabstinenz ausgegangen seien. Der Kläger habe jedoch ausweislich der nachfolgenden Trunkenheitsfahrt am 06.10.1996 diese Abstinenz nur wenige Monate nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis aufgegeben. Da die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen nach der Überzeugung der Behörde feststehe, könne gemäß § 11 Abs. 7 FeV auf die Beibringung eines Eignungsgutachtens verzichtet werden. Auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen deute auch die Tatsache, dass er am 26.11.2007, also nur 56 Tage nach der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis, auf der BAB A 6 in einem Baustellenbereich die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 21 km/h mit einem PKW überschritten habe. Die Entscheidung verstoße auch nicht gegen den Anerkennungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 2006/126/EG vom 20.12.2006. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH sei dem Kläger beim Erwerb der tschechischen Fahrerlaubnis ein Rechtsmissbrauch anzulasten. Insoweit spreche gegen ihn, dass er in Deutschland ohne erfolgreiche MPU ...