Entscheidungsstichwort (Thema)
Tierschutz. Einschreitensbefugnis. Wegnahme. Haltungsverbot. ungeeignete Zwangsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
1. § 16a Tierschutzgesetz verpflichtet die Veterinärbehörden zum Einschreiten gegen festgestellte oder zu besorgende Verstöße gegen die sich aus § 2 Tierschutzgesetz oder den aus der Tierschutz-NutztierhaltungsVO ergebenden Pflichten des Tierhalters. Ein Entschließungsermessen besteht insoweit nicht.
2. Das bei der Wahl geeigneter Maßnahmen nach § 16a Satz 2 Tierschutzgesetz bestehende Auswahlermessen ist regelmäßig auf den Erlass eines Haltungsverbotes reduziert, wenn der Tierhalter die von ihm gehaltenen Rinder über Jahre hinweg unterversorgt und gequält hat.
3. Verhindert ein Tierhalter über Jahre den zuständigen Veterinärbehörden den Zutritt zu seinem Stall in dem Rinder entgegen den Anforderungen der Tierschutz-NutztierhaltungsVO gehalten wurden, so liegen Tatsachen vor, die im Sinne von § 16a Satz 2 Nr. 3 Tierschutzgesetz die Annahme rechtfertigen, das er auch künftig seinen tierschutzrechtlichen Halterpflichten zuwider handeln wird.
4. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes als Vollstreckungsmaßnahme ist rechtswidrig, wenn es nach Lage der Dinge nicht geeignet ist, den Willen des Ordnungspflichtigen zu beugen, weil es mangels Masse gegen ihn nicht vollstreckt werden kann.
Normenkette
GG Art. 20a; BGB § 90a; VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 2; SVwVfG § 28; SVwVG § 13 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2, 4, § 18 Abs. 1, § 20 Abs. 2 S. 1, §§ 22-23; PolG § 8 Abs. 1 S. 1; TierschutzG § 1; TierSchutzG §§ 2, 16a Sätze 1, 2 Nr. 3; TierSchNutztV §§ 3-6; VetALG § 1 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 21.01.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 11.05.2009 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 700,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines zum Vollzug einer tierschutzrechtlichen Verfügung des Beklagten vom 23.04.2008 festgesetzten Zwangsgeldes. Die Zwangsgeldfestsetzung hat folgende Vorgeschichte:
Der Kläger hält in dem Anwesen E… Straße Nr. 8 in E…-H…, Gemeinde A…-Stadt, seit Jahrzehnten, anfangs im Nebenerwerb, Rinder. Im Zuge dieser Tierhaltung kam es wiederholt zu Beschwerden aus der Nachbarschaft und Anzeigen bei der Polizei- und der Ortspolizeibehörde A…-Stadt, weil die vom Kläger gehaltenen Tiere nicht ordnungsgemäß versorgt oder wegen unzureichender Einkoppelung ihre Weidegründe verlassen hatten und die öffentliche Sicherheit gefährdeten, so dass die Polizei zur Gefahrenbekämpfung ausrücken musste.
Bereits unter dem 03.11.1993 wandte sich die örtliche Polizeiwache A…-Stadt an den Rechtsvorgänger des Beklagten, die Kreisverwaltung des Landkreises B…-Stadt-Wadern, dort das Veterinäramt, und wies darauf hin, dass nach örtlichen Feststellungen die Tiere des Nebenerwerbslandwirts A… unterversorgt seien bzw. nicht artgerecht in den Stallungen gehalten würden. In diesem Jahr sei bereits das fünfte Rind in verendetem Zustand aus dem Stall herausgezogen und erst einige Zeit später von der TKV Lockweiler abgeholt worden. Auf Nachfrage habe der örtliche Tierarzt erklärt, nach seiner Kenntnis sei der damalige Kreisveterinär schon seit Jahren nicht mehr in den Stallungen des Herrn A… gewesen, da dieser den Zutritt zu dem Stall verweigere. Er selbst sei in der Sache als Tierarzt nicht zuständig. Eine Nachkontrolle des Kreisveterinärs am 30.11.1993 bestätigte die nicht artgerechte Haltung der Tiere, wozu sich der Kläger dahingehend einließ, wegen seiner Nachtschicht habe er keine Zeit, den Stall zu misten bzw. die Rinder zu säubern. Daraufhin ordnete der Kreisveterinär mündlich die Säuberung des Stalles an; eine Nachkontrolle lässt sich den Akten nicht entnehmen.
Am 04.04.1997 überprüfte die Wasserbehörde des Landkreises B…-Stadt-Wandern die Mist- und Güllelagerung auf dem Anwesen des Klägers. Anlässlich dieser Kontrolle konnte auch ein Blick in den Stall des Klägers geworfen werden. Es wurde festgestellt, dass die Kühe bis zum Bauch im Mist standen. Hierüber wurden die Kreisordnungsbehörde und das Veterinäramt des Landkreises intern durch einen Aktenvermerk informiert und um weitere Veranlassung gebeten. Daraufhin wandte sich die Kreisordnungsbehörde des Landkreises B…-Stadt-Wadern mit Schreiben vom 08.02.2000 an den Kläger und forderte ihn auf, innerhalb von acht Tagen den Stall auszumisten und zu säubern. Weitere Maßnahmen, insbesondere eine Nachkontrolle, lassen sich den Akten nicht entnehmen.
Am 17.07.2001 ging beim Landkreis B…-Stadt-Wadern ein Vermerk der Polizeibezirksinspektion B…-Stadt, Polizeiposten A…-Stadt, ein, indem darauf hingewiesen wurde, dass bereits mehrere A...