Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage betreffend den Umfang privatrechtlicher Befugnisse an einer durch eine Straße in Anspruch genommenen Grundstücksteilfläche
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Feststellungsklage betreffend das Ob oder den Umfang der privatrechtlichen Befugnisse an einer durch eine Straße in Anspruch genommenen Grundstücksteilfläche ist auch nach Einleitung eines Verfahrens auf Enteignung des privaten Grundstückseigentümers und einer im Vorgriff darauf verfügten vorzeitigen Besitzeinweisung des Antragstellers im Enteignungsverfahren zulässig, solange hierdurch lediglich ein “schwebender” Rechtszustand hinsichtlich des privaten Eigentumsrechts bzw. der hieraus abzuleitenden Befugnisse geschaffen wird.
2. Begehrt der Kläger die gerichtliche Feststellung, dass seine Eigentumsrechte an dem ihm gehörenden Grundstück nicht durch den Umstand eingeschränkt werden, dass Teile des Grundstücks für den öffentlichen Verkehr genutzt werden, und spricht nach dem Prozessstoff alles für eine öffentlich-rechtliche Belastung der betroffenen privaten Grundstücksteile durch eine fiktiv für den öffentlichen Verkehr gewidmete Straße, so bleibt der Klage der Erfolg versagt, wenn der Kläger – wie hier – den im Verfahren gewonnenen Erkenntnissen zum wegerechtlichen Status der Straße lediglich mit dem Einwand des Nichtwissens entgegentritt.
3. Eine Widmung nach Maßgabe des § 6 Abs. 6 Saarländisches Straßengesetz, wonach eine Straße mit der Verkehrsübergabe als gewidmet gilt, wenn im Rahmen eines aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften durchgeführten förmlichen Verfahrens der Bau oder die Änderung einer Straße unanfechtbar angeordnet wurde, greift nicht ein, wenn ein Straße entsprechend den Festsetzungen in einem Bebauungsplan ausgebaut und in Dienst gestellt worden ist, denn weder kann ein Bebauungsplan entsprechend den Voraussetzungen jener Vorschrift in Bestandskraft erwachsen noch begründet er ein Ausführungsgebot.
Normenkette
SVerf Art. 103; BauGB § 10 Abs. 1, § 123 Abs. 3, §§ 217, 219; StVO § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 1b S. 1 Nr. 5; SStrG § 3 Abs. 1 Nrn. 3-4, § 6 Abs. 6, § 63 S. 1; KSVG § 62
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die gerichtliche Feststellung, dass er in der Ausübung seines Eigentumsrechts an seinem Grund und Boden nicht dadurch eingeschränkt wird, dass eine Teilfläche seines Grundstücks für den öffentlichen Verkehr genutzt wird.
Der Kläger ist Eigentümer des in der Innenstadt der Beklagten liegenden Grundstücks der Gemarkung B…-Stadt, Flur 6, Parzellen-Nr. 202/1, welches mit dem Wohnhaus des Klägers bebaut ist und in die vor dem Haus verlaufende Straße (Fußgängerzone) bis über deren Mitte hineinragt. Die Grundstücksparzelle gehört zu dem bereits im Jahre 1972 von der Beklagten förmlich festgelegten Sanierungsgebiet “A…”. Die Sanierungsziele gab die Beklagte seither in mehreren, von ihr in Kraft gesetzten Bebauungsplänen verbindlich vor. Zuletzt wurde in dem vom Stadtrat der Beklagten am 6.12.2001 beschlossenen und am 11.12.2001 ortsüblich bekannt gemachten Bebauungsplan “Stadtkern Teil I – Mott, 1. Änderung” für den Teil der Straße “C…”, wo der Kläger wohnt, die Vorgabe “Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung: Fußgängerzone” festgesetzt.
Bereits ab Ende der 70-iger Jahre hatte die Beklagte vergeblich versucht, den Eltern des Klägers als vormaligen Eigentümern das betreffende Grundstück bzw. die für die Neuherstellung der Straße erforderliche Teilfläche abzukaufen. Zuletzt bat sie darum, ihr zumindest den Neuausbau der öffentlichen Verkehrsfläche zu gestatten. Die mittlerweile verwitwete Mutter des Klägers gab am 8.2.1989 durch ihre Unterschrift unter einem vorformulierten Text folgende “Einverständniserklärung zum Ausbau der Grabenstraße im Zuge der Vollziehung des Bebauungsplanes im Sanierungsgebiet ‘A…’ ” ab:
“Hiermit erkläre ich… mich damit einverstanden, dass die öffentliche Verkehrsfläche, die laut Bebauungsplan auf das Grundstück bzw. Teilfläche meines… Grundbesitzes Gemarkung B…-Stadt, Flur 6, Parz.-Nr. 202/1 fällt, ausgebaut und mit Kleinpflaster befestigt werden kann, ebenso die außerhalb der Verkehrsfläche liegende Restfläche meines… Grundstücks mit angelegt werden kann.”
Die Beklagte, welche in der Folgezeit die Sanierung der Verkehrsfläche durchführte und als Fußgängerzone in Dienst stellte, blieb weiterhin vergeblich bemüht, die etwa 18 bis 20 m2 große Teilfläche des in die Fußgängerfurt hineinragenden Grundstücks von der Mutter des Klägers zu kaufen. Stattdessen erwarb der Kläger von seiner Mutter das gesamte Hausgrundstück mit notariellem Vertrag vom 12.10.1998. Zu diesem Zeitpunk...