Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsräumung. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz
Tenor
Der Antragsgegner Ziff. 2 wird verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, daß durch die Vollstreckung des Räumungsurteils des Amtsgerichts … vom 26.06.1996 – 2 C … – keine tierschutzwidrigen Zustände entstehen.
Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner Ziff. 2 tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf DM 10.000,– festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Einfamilienhauses mit Gartengrundstück in …, Hauptstr. …, das sie seit 01.07.1995 an Herrn … und Frau … (im folgenden: Mieter) vermietet hat. Aufgrund eines gegen diese erwirkten rechtskräftigen Räumungstitels des Amtsgerichts … vom 26.06.1996 erteilte die Antragstellerin Zwangsvollstreckungsauftrag an Herrn Obergerichtsvollzieher … zur zwangsweisen Räumung des Grundstückes. Unter dem Datum 06.08.1996 bestimmte der Gerichtsvollzieher Räumungstermin auf den 12.09.1996. Am 23.08.1996 teilte er der Antragsgegnerin Ziff. 1 mit, daß sich auf dem zu räumenden Grundstück 86 Tiere befänden, darunter 18 Gänse, 16 Enten, 32 Hühner, 3 Stallhasen, 6 Hauskatzen, 1 Gordon-Setter und 10 Wellensittiche. Er forderte die Antragsgegnerin Ziff. 1 auf, für die Unterbringung der Tiere Sorge zu tragen, da die Räumungsschuldner keine Ersatzwohnung zur Verfügung hätten, in der sie die Tiere unterbringen könnten. Er verwies auf die Rechtsprechung des LG Oldenburg, veröffentlicht in der DGVZ 1995, 44 f., wonach für die Unterbringung von Tieren bei der Zwangsräumung ausschließlich das Ordnungsamt zuständig sei. Am 06.09.1996 wandte sich das Rechts- und Ordnungsamt der Antragsgegnerin Ziff. 1 an das Veterinäramt beim Landratsamt …; dieses sei für eine Unterbringung zum Schutz der Tiere zuständig. Im anberaumten Räumungstermin stellte der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung ein, da für eine anderweitige Unterbringung der zwischenzeitlich 108 Tiere (29 Gänse, 16 Enten, 32 Hühner mit 5 Küken, 3 Stallhasen, 6 Katzen, 1 Hund sowie 10 Vögel nebst 25 befruchteten Eiern in einem Brutapparat) nicht gesorgt und kein Behördenvertreter erschienen war.
Die von der Antragstellerin gegen die Einstellung der Zwangsvollstreckung beim Amtsgericht … eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluß vom 19.09.1996 zurückgewiesen. Ebenfalls am 17.09.1996 teilte das Landratsamt … – Veterinäramt – der Antragstellerin mit, daß mangels tierschutzwidriger Zustände das Landratsamt keinen Handlungsbedarf sehe. Der Gerichtsvollzieher müsse im Rahmen der Vollstreckung die Tiere auf Kosten des Schuldners anderweitig unterbringen.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hin hat das Landgericht … den Beschluß des Amtsgerichts … dahingehend abgeändert, daß der zuständige Gerichtsvollzieher angewiesen wird, die Zwangsräumung fortzusetzen. In dieser Entscheidung wird ausgeführt, daß die Untätigkeit der öffentlichen Behörden kein Vollstreckungshindernis darstelle. Auf die Räumung der von Vollstreckungsschuldnern gehaltenen Tiere seien nämlich die allgemeinen Regeln der Zwangsräumung anwendbar. Der Gerichtsvollzieher müsse die Tiere in Verwahrung nehmen, sie verkaufen, verschenken oder notfalls töten lassen. Von der Antragstellerin könne er hierfür einen Kostenvorschuß anfordern. Daß diese möglicherweise am Ende die Kosten von den Räumungsschuldnern nicht zurückerhalte, rechtfertige keine andere Entscheidung, da es nicht Sache der Allgemeinheit sei, dem einzelnen die Folgen einer finanziell ungünstigen Sachverhaltsentwicklung abzunehmen.
Unter Hinweis auf den Beschluß des Landgerichts … hat der Gerichtsvollzieher am 04.11.1996 erneut Räumungstermin auf 19.11.1996 bestimmt und die Antragstellerin zur Zahlung eines Kostenvorschusses von 30.000,– DM aufgefordert.
Gegen die landgerichtliche Entscheidung haben die Mieter und Räumungsschuldner daraufhin das Oberlandesgericht Karlsruhe angerufen. Dieses hat am 18.11.1996 die Vollziehung der Entscheidung des LG … bis zur besseren Prüfung der Problematik ausgesetzt und schließlich am 04.12.1996 die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils abgeändert. Tiere könnten gerade nicht wie bewegliche Sachen im Falle einer Zwangsräumung in einer Pfandkammer abgestellt werden. Der Gerichtsvollzieher sei daher für die Unterbringung und Versorgung der Tiere nicht zuständig. Angesichts der drohenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, namentlich des Straßenverkehrs, durch eine Vielzahl „herrenlos” gewordener Tiere obliege es den Ordnungs- und Polizeibehörden, zum Zwecke der Gefahrenabwehr tätig zu werden. Ob die Stadt oder der Landkreis berufen wären, zur Gefahrenabwehr tätig zu werden, sei jedoch nicht von den Zivilgerichten zu entscheiden. Zudem gebiete Art. 14 GG, den Räumungsgläubiger von zu hohen Vorschußzahlungen an den Gerichtsvollzieher freizustellen, da ansonsten ein Leerlaufen von Räumungstiteln und eine Aushöhlung des Eigentums drohe...