Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Informationszugang gegenüber einem Sozialversicherungsträger im Insolvenzanfechtungsverfahren. Zugang. Information. Insolvenzverwalter. Insolvenzanfechtung. Sozialversicherungsträger. Krankenkasse. laufendes Gerichtsverfahren. Wettbewerbsnachteile. Gleichbehandlung. Verwaltungsaufwand. Sozialgeheimnis
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch des Insolvenzverwalters nach § 1 Abs. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes besteht gegenüber einem Sozialversicherungsträger auch dann, wenn die Information der Vorbereitung einer Insolvenzanfechtung dient.
2. Dem Anspruch auf Informationszugang kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, die Informationspflicht stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber konkurrierenden Sozialversicherungsträgern dar, die keiner Informationspflicht unterliegen.
Normenkette
IFG § 1 Abs. 1, 3, § 9 Abs. 3, 3 Nr. 1 g), Nr. 6, § 1 Abs. 2, § 7 Abs. 2, 6 Sätze 2, 5; VwVfG § 29; SGB X § 25; SGB I § 35 Abs. 1; InsO §§ 97, 101
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30. März 2009 und ihres Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 verpflichtet, dem Kläger durch Vorlage von Kontoauszügen oder gleichgeeigneten Unterlagen Auskunft darüber zu erteilen, welche Zahlungseingänge die Beklagte von der Bäckerei G. I. GmbH unter der Betriebsnummer 41… im Zeitraum 01. Februar 2008 bis 01. März 2009 erhalten hat.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts N. vom 01. März 2009 (Az: 86 IN 0/09) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Bäckerei G. I. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) ernannt worden. Arbeitnehmer dieses Betriebes waren bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Mit Schreiben vom 18. März 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG –), ihm Kontoauszüge zu der Betriebsnummer 41… für den Zeitraum Februar 2008 bis „jetzt” zu übersenden, aus denen sich sämtliche Zahlungsvorgänge für den genannten Zeitraum ergeben.
Mit Bescheid vom 30. März 2009 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis darauf ab, der Kläger könne sich die Unterlagen bei der Insolvenzschuldnerin besorgen. Im Übrigen wurde auf die Rechtsprechung des BGH verwiesen, wonach keine Auskunftspflichten gegenüber dem Insolvenzverwalter als möglichen Gegner im Insolvenzanfechtungsprozess bestehen würden.
Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2009 als unbegründet zurück. Nach der auf der Grundlage des § 242 BGB entwickelten Rechtsprechung des BGH habe der Kläger keinen Auskunftsanspruch im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Das IFG sei nach seinem Sinn und Zweck nicht erlassen worden, um allgemeine insolvenzrechtliche Verfahrensgrundsätze außer Kraft zu setzen und Arbeitserleichterungen für Insolvenzverwalter zu schaffen. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, warum er sich die fraglichen Informationen nicht aus Buchhaltungsbelegen der Insolvenzschuldnerin beschaffen könne bzw. warum ihm diese Beschaffung nicht zumutbar sei. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch diene allein der Ausforschung und sei deshalb als missbräuchlich anzusehen. Ferner ergebe sich aus § 3 Nr. 6 2. Alt. IFG, dass die Beklagte nicht zur Informationserteilung verpflichtet sei. Die infolge der Auskunftserteilung zu erwartenden Insolvenzanfechtungen des Klägers könnten zu einem nicht unerheblichen Zahlungsdefizit bei der Beklagten führen.
Der Kläger hat am 21. Oktober 2009 Klage beim Verwaltungsgericht N. – entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 17. September 2009 – erhoben, mit der er sein Auskunftsbegehren weiter verfolgt. Mit Beschluss vom 12. November 2009 hat das Verwaltungsgericht N. sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen.
Zur Begründung der Klage wird ausgeführt, der Kläger sei nicht in der Lage, sich die begehrten Informationen auf andere Weise zu verschaffen, da die Insolvenzschuldnerin nicht über eine geordnete Lohnbuchhaltung verfügt habe. Die Klage diene nicht der Arbeitserleichterung des Insolvenzverwalters, sondern sei mangels anderweitiger Informationsquellen ultima ratio, um der Prüfungspflicht zu genügen, ob zugunsten der Insolvenzmasse Anfechtungsansprüche realisiert werden können. Soweit personenbezogene Daten oder Betriebsgeheimnisse der Insolvenzschuldnerin von dem Auskunftsbegehren betroffen seien, sei der Kläger als Insolvenzverwalter darüber nach § 80 InsO verf...