Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 17.09.1998; Aktenzeichen 2 BvR 1278/98)

 

Tenor

Der Antrag vom 20.10.97 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (3 VG A 3247/97) wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000,– DM festgesetzt.

Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20.10.97 anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg. Die gemäß § 34 Abs. 1 AsylVfG ergangene Abschiebungsandrohung ist mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr als rechtmäßig anzusehen.

Es bestehen keine „ernstlichen Zweifel” i.S. von Art. 16 a Abs. 4 S. 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG daran, daß die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Asylantrag offensichtlich fehlen, daß auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vorliegen und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel in diesem Sinne vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, daß die Maßnahme, hier der Bescheid der Antragsgegnerin einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, Urteil vom 14.05.96 –2 BvR 1516/93–, DVBl. 96, 736). Solche Gründe sind hier nicht zu erkennen. Es überwiegt deshalb das öffentliche Interesse daran, den Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet sofort zu beenden, gegenüber dessen privatem Interesse an einem weiteren Inlandsaufenthalt bis zum Abschluß des gerichtlichen Asylverfahrens.

1) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß ein Anspruch des Antragstellers auf Asyl offensichtlich nicht besteht. Dies war nach Aktenlage (§ 36 Abs. 3 S. 4 AsylVfG) auf der Grundlage aller möglicherweise entscheidungserheblichen, auch lediglich gerichtsbekannten Tatsachen zu überprüfen. Sind diese offensichtlich nicht geeignet, einen Asylanspruch zu begründen, ist die angefochtene Abschiebungsandrohung nicht auszusetzen.

Ein Asylbegehren ist dann offensichtlich unbegründet im Sinne von §§ 78 Abs. 1, 30 Abs. 1 und 2 AsylVfG, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (siehe § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) sich die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt (BVerfG, Beschl. v. 12.07.83, E 65, 76 ≪96≫ und Beschl. v. 05.10.94, NVwZ Beilage Nr. 9/94 S. 1 sowie Beschl. v. 08.03.95, 2 BvR 2148/94). So liegt es hier:

Der Antragsteller ist unverfolgt aus der Türkei, aus Istanbul ausgereist (unter a.). Ihm droht bei einer Rückkehr dorthin eine politische Verfolgung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (unter b.). Dieser herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab findet im Fall des Antragstellers angesichts seiner „unverfolgten” Ausreise Anwendung (BVerwG 88, 367).

a)

Dem Antragsteller drohte vor seiner Ausreise aus dem Westen der Türkei, aus Istanbul keine politische Verfolgung. Er hatte dort eine innerstaatliche Fluchtalternative gefunden, wenn er denn tatsächlich zuvor wegen seiner Aktivitäten für die HADEP oder seiner angeblich auch durch Teilnahme an Demonstrationen in seinem Heimatort geäußerten Sympathie für die kurdische Unabhängigkeitsbewegung und/oder die PKK in seiner Heimat im Osten der Türkei politisch verfolgt gewesen sein sollte, was allerdings schon angesichts seines damaligen Alters –der Antragsteller war beim Verlassen der Türkei erst 14 Jahre alt– unwahrscheinlich erscheint.

Er will von dem Kongreß der HADEP, der am 20.06.96 in Ankara abgehalten wurde, allein nach Istanbul gefahren sein. Er hatte den Kongreß verlassen, als es dort im Zusammenhang dem Herunterholen einer türkischen Fahne zu Tumulten kam. Nach seinen eigenen Angaben hat er nicht bis „zum Ende gewartet”, sondern sich rechtzeitig abgesetzt. Besonders aufgefallen kann er deshalb nicht sein. Danach hat sich dort mehrere Monate bei Bekannten und Verwandten aus seinem Heimatdorf, die inzwischen dort lebten, aufgehalten.

Dem Antragsteller drohte vor seiner Ausreise auch wegen des Umstandes allein, daß er ethnisch Kurde ist, in der Türkei und insbesondere in Istanbul keine politische Verfolgung. Eine Gruppenverfolgung von Kurden findet in der Türkei nicht statt. Nach der Auskunftslage (dazu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31.03.98, S. 3 ff) hat die Kammer diese Überzeugung gewonnen (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 23.10.97, A 12 S 2595/96; OVG Münster, Urteil vom 03.06.97, 25 A 3631/95. A; OVG Schleswig, Urteil vom 25.11.97, 5 A 233/94). Die Annahme einer gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe gerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Es darf sich nicht um eine Vielzahl einzelner Übergriffe oder um vereinzelt bleibe...

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