Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangsgewährung zu vorhandenen Informationen über die betreute Schuldnerin eines Insolvenzverwalters
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Insolvenzverwalter kann nach § 1 Abs. 1 IFG von einer Krankenkasse Einsicht in die Aufzeichnungen über die Sozialversicherungsverhältnisse von Arbeitnehmern des Insolvenzschuldners verlangen (Informationen über die Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners, die bei der Krankenkasse als Mitglieder geführt worden sind sowie Einzelheiten der Beitragszahlungen für diese Mitglieder).
2. Die insolvenzrechtlichen Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner nach §§ 97, 101 InsO bzw. das Auskunftsrecht nach §§ 242, 810 BGB zählen nicht zu den vorrangigen Regelungen im Sinne von § 1 Abs. 3 IFG. Jedenfalls stellen sie keine abschließenden Regelungen dar.
3. Informationen über die Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners, die bei einer Krankenkasse als Mitglieder geführt worden sind sowie die Einzelheiten der Beitragszahlungen für diese Mitglieder unterliegen nicht im Hinblick auf § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltung oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis.
Normenkette
IFG § 1 Abs. 1, 3, § 2 Nr. 1, § 9 Abs. 3; InsO §§ 97, 101
Verfahrensgang
Tenor
1. Zugang zu den über die xxx vorhandenen Informationen zu gewähren
sowie
2. den Zugang zu den aktenförmigen Informationen in Form von Akteneinsicht zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter Zugang zu den bei der Beklagten vorhandenen Informationen über die von ihm betreute Schuldnerin.
Über das Vermögen der xxx wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 23.12.2005 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 8.10.2008 beantragte der Kläger Akteneinsicht in die bei der Beklagten geführten Akten über die Insolvenzschuldnerin unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes.
Mit Bescheid vom 14.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass die geforderten Informationen aus dem eigenen Verantwortungsbereich der Schuldnerin stammten. Selbst wenn die Informationen nicht vorlägen, hätten die Rechtsvorschriften der Insolvenzordnung vorrangige Geltungskraft.
Mit Schreiben vom 28.10.2008 erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass die Akten, in die er Einsicht begehre, gerade nicht allgemein zugänglich seien. Der Inhalt der Akten könne auch nicht als Information angesehen werden, über die er bereits verfüge. Die Insolvenzordnung gehe nicht vor, da sie keine Regelung über den Zugang zu amtlichen Informationen getroffen habe und solche Regelungen auch nicht treffen könne. Die Auskunftsansprüche nach §§ 97ff. Insolvenzordnung gegenüber den Organen der Gesellschaft könnten keine "amtlichen Informationen” ersetzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.1.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie sei weder eine Behörde des Bundes noch eine Bundeseinrichtung, so dass schon der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nicht eröffnet sei. Selbst wenn sie dem Informationsfreiheitsgesetz unterfalle, stehe dem Begehren die Regelung in § 9 Abs. 3 Informationsfreiheitsgesetz entgegen, weil sich der Kläger die Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen in zumutbarer Weise beschaffen könne. Diese Vorschrift solle die Behörden entlasten. Es sollten so individuelle Umstände des jeweiligen Antragstellers berücksichtigt werden. Zu diesen Umständen gehöre die Eigenschaft als Insolvenzverwalter, der nach einer spezialgesetzlichen Vorschrift (§ 97 Insolvenzordnung) einen Auskunftsanspruch gegen den oder die ehemaligen Verantwortlichen der Insolvenzschuldnerin besitze. In der der Rechtsbehelfsbelehrung wies die Beklagte darauf hin, dass Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben werden könne.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 26.1.2009 – eingegangen am 27.1.2009 – Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Das Sozialgericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 9.3.2009 an das Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen. Der Kläger vertieft in der Klage sein Vorbringen aus dem Vorverfahren und führt insbesondere aus, die Beklagte sei eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und unterliege daher dem Informationsfreiheitsgesetz. Er, der Insolvenzverwalter, sei ein Jedermann im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes. Unerheblich sei, o...