Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsvergütung in der Altenpflege

 

Tenor

1. Es ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 4 des Landesgesetzes über die Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege vom 03. Juni 1997 (GVBl. S. 143) mit Art. 2 Abs. 1 und 20 Abs. 3 des Grundgesetzes vereinbar ist.

2. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung einer Umlage zur Finanzierung der Vergütungen in der Altenpflegeausbildung.

Sie betreibt in Rheinland-Pfalz einen ambulanten Pflegedienst in der Rechtsform einer GmbH. Mit Heranziehungsbescheid vom 15. Dezember 1997 forderte der Beklagte die Klägerin zur Zahlung einer Umlage für den Zeitraum vom 01. August 1997 bis zum 31. Juli 1998 in Höhe von 9.751,06 DM, zahlbar in vier Vierteljahresraten, beginnend am 01. Februar 1998, auf. Der Beklagte stützte den Bescheid auf § 4 des Landesgesetzes über Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege. Der Betrag ergab sich aus den von der Klägerin gemeldeten betrieblichen Erträgen aus Leistungen gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGB XI, im Verhältnis zu den entsprechenden betrieblichen Erträgen aller umlagepflichtigen Pflegeeinrichtungen.

Mit einem am 22. Dezember 1997 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben legte die Klägerin Widerspruch ein. Dieser hatte indessen keinen Erfolg, der Beklagte wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 1998 zurück.

Am 02. September 1998 haben die Prozessbevollmächtigen der Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin macht geltend, die Altenpflegeumlage sei verfassungswidrig, weil es sich dabei um eine unzulässige Sonderabgabe handele: Die Sonderabgabe sei in der Finanzverfassung nicht ausdrücklich vorgesehen und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Sonderabgabe mit Finanzierungszweck nur noch ausnahmsweise zulässig. Den an eine solche Sonderabgabe zu stellenden Anforderungen werde die Altenpflegeumlage nicht gerecht. Es sei erforderlich, aber durch die Gesetzesmaterialien nicht belegt, Besonderheiten des Ausbildungssystems darzutun, die in wesentlichen Punkten von sonstigen Ausbildungssituationen abwichen.

Des Weiteren liege das Vorhandensein gut ausgebildeter Altenpfleger im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und nicht im spezifischen Sonderinteresse der Pflegeeinrichtungen. Es fehle neben den abgrenzbaren Gruppeninteressen erst recht aber auch an einer spezifischen Gruppenverantwortung für die Gestellung ausreichend vieler qualifiziert ausgebildeter Altenpfleger. Verantwortung sei mehr als Interesse, sondern setze Gestaltungs- und Sachverantwortung voraus, wozu auch eine Ausbildungsverantwortung gehöre. Lediglich die stationären Einrichtungen profitierten vom Arbeitskraftgewinn der praktischen Ausbildung und nur sie könnten in den Genuss der Altenpflegeumlage kommen. Es sei offensichtlich, dass den ambulanten Pflegediensten eine Sachverantwortung für Ausbildung fehle, und zwar nicht etwa, weil sie kein Interesse an der Ausbildung hätten, sondern vielmehr, weil sie durch die Konstruktion der Ausbildung hiervon rechtlich und faktisch ausgeschlossen seien. Wo es aber keine Sachverantwortung für die Inhalte der Ausbildung gebe, könne es auch keine Finanzierungsverantwortlichkeit geben.

Schließlich fehle es auch an der erforderlichen Gruppenhomogenität. Zunächst hätten die stationären Einrichtungen vollen Zugang zu der Altenpflegeausbildung. Sie könnten Träger der fachpraktischen Ausbildung sein und daher in den Genuss sowohl der Ausbildungsvergütung als auch gleichzeitig des Arbeitskraftsgewinns kommen. Eine gewisse Anzahl von Auszubildenden entspreche hinsichtlich ihrer Arbeitskraft derjenigen einer ausgebildeten Fachkraft. In dieser Relation stünden auch die Ausbildungsvergütung und das Gehalt einer ausgebildeten Fachkraft. Die stationären Pflegeeinrichtungen könnten also Sachverantwortung in der Ausbildung übernehmen, damit ihre Umlageverpflichtung in eine Umlageberechtigung umwandeln und gleichzeitig den Arbeitskraftgewinn abschöpfen. Demgegenüber stünden die ambulanten Pflegeeinrichtungen lediglich auf der Geberseite der Umlage, ohne Verantwortung übernehmen oder Arbeitskraftgewinn ziehen zu können. Bei einer derart unterschiedlichen Ausgangslage verbiete sich die Annahme einer Homogenität zwischen beiden Gruppen.

Dies gelte umso mehr für die Übergangsregelung des § 6 des Landesgesetzes, da den Trägern der fachpraktischen Ausbildung 100 % der Ausbildungsvergütungen erstattet würden, obwohl sie bereits mindestens bis zur Hälfte dieser Ausbildungsvergütungen durch den Arbeitskraftgewinn bereichert seien.

Der Ausbildungsschwerpunkt der Altenpfleger liege in der psycho-sozialen Betreuung. Stationäre Pflegeeinrichtungen erhielten gemäß §§ 41 Abs. 2, 42 Abs. 2 und 43 Abs. 2 SGB XI Aufwendungen der psycho-sozialen Betreuung durch die Pflegekassen finanziert, während die ambulanten Pflegedienste nur die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung im Rahmen des SG...

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