Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung von Tiefflügen
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, über dem Gebiet der Kläger keine militärischen Übungsflüge durch die Bundesluftwaffe unter den in § 6 Abs. 1 Satz 2 LuftVO vorgeschriebenen Mindestsicherheitshöhen durchzuführen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, mit den Mitgliedsstaaten des Nordatlantikpaktes in Verhandlungen mit dem Ziel einzutreten, militärische Übungsflüge über dem Gebiet der Kläger unter den in § 6 Abs. 1 Satz 2 LuftVO vorgeschriebenen Sicherheitsmindesthöhen nicht mehr durchzuführen.
3. Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.
4. Die Beklagte trägt 4/5 der Kosten der Verfahren, die Kläger tragen die Kosten ihres Verfahrens zu je 1/5.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger sind kommunale Gebietskörperschaften. Ihnen obliegt die Schulträgerschaft einer Vielzahl von Schulen. Mit ihren Klagen verfolgen sie das Ziel, die durch Tiefflugübungen der Bundeswehr und der Nato-Staaten verursachte Lärmbeeinträchtigung der Schulen wesentlich zu reduzieren.
Die Kläger liegen im Bereich eines von 7 der sog. „Tieffluggebiete 250 Fuß”. In diesen 7 Gebieten, nicht aber in den zwischen diesen Gebieten liegenden Verbindung strecken, werden Tiefflüge bis zu einer Mindesthöhe von 75 m durchgeführt. Die Bundesluftwaffe hat sich dabei folgenden Beschränkungen unterwarfen, die nicht für die Luftwaffen der Nato-Streitkräfte verbindlich sind:
Bei Flügen in diesem Bereich ist die Verweildauer auf maximal 50 Minuten je Einsatzflug beschränkt. Die maximale Tiefflugplanungsgeschwindigkeit ist auf 450 Knoten beschränkt. Die Mindestflughöhe von 75 m ist nur im letzten Teil des Anflugs auf ein Übungsziel erlaubt. Der Nachbrenner darf im Tiefflug nicht benutzt werden, ausgenommen in Notsituationen. Als Navigations- und Zielpunkte werden Punkte außerhalb von Ortschaften und Siedlungen angenommen (so: BMVg (Herausgeber), Bundeswehr und Umweltschutz, 5. Aufl. 1988 Rdnr. 38, 39). Maßgebend für die Durchführung der Tiefflüge durch die Bundesluftwaffe ist im übrigen die Zentrale Dienstvorschrift – ZDv – 19/2 einschließlich der Anlage 1 „Besondere Anweisung für den Flugbetrieb Nr. 1/77 ‚Tiefflug’”.
Der Bundesminister für Verkehr hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verteidigung eine „Bekanntmachung über Flüge mit militärischen Strahlflugzeugen unterhalb Flugfläche 100”, zuletzt i.d.F. vom 17. August 1984 in den Nachrichten für Luftfahrer Teil I (dort Jg. 1984 S. 240) veröffentlicht. In ihr wird auf die Luftfahrkarte ICAO 1: 500.000 Bezug genommen, in der bestimmte abgegrenzte Gebiete dargestellt sind, in denen auch 250 Fuß GND/250 Fuß-Tieffluggebiete dargestellt sind, soweit sie für die Zivilluftfahrt von Bedeutung sind.
Im Jahre 1961 wurde ein Tiefflugsystem eingerichtet und die Durchführung von Tiefflügen durch den „Ständigen Ausschuß zur Koordinierung der Luftfahrt” beschlossen (vgl. Nds. Landesregierung in: Nds. Landtag Ds 11/3507). Auf Weisung des Bundesministers der Verteidigung hat der Führungsstab der Luftwaffe in den letzten Jahren die Möglichkeit untersucht, die insgesamt bestehenden 7 Tieffluggebiete mit der Mindestflughöhe von 250 Fuß durch ein System von 49 rotierenden Gebieten zu ersetzen. Diese Maßnahme sollte zu einer Reduzierung der Lärmbelästigung der Bewohner der bestehenden Tieffluggebiete führen. Auf die Durchsetzung dieses Konzepts hat der Bundesminister der Verteidigung im Jahre 1986 verzichtet, nachdem sich erheblicher politischer Widerstand von Mandatsträgern aus denjenigen Gebieten ergeben hatte, die mit einer erhöhten Belästigung durch Tieffluglärm hätten rechnen müssen.
Nach Scheitern dieses Konzepts und Gesprächen mit dem Bundesminister der Verteidigung haben die Kläger die vorliegenden Klagen erhoben. Zu ihrer Begründung machen sie geltend:
Über ihren Schulen käme es zu täglich bis zu 40 Überflügen in einer Höhe von etwa 75 m. Ein geordneter Unterricht sei in den Schulen nicht mehr möglich. Der Unterricht müsse häufig unterbrochen werden. Der ständige Lärm der Tiefflieger störe eine kontinuierliche Unterrichtung der Schüler und lasse ein vernünftiges Unterrichtsgespräch zwischen Lehrern und Schülern teilweise nicht mehr zu. Außerdem leide die Konzentration und Lernfähigkeit der Schüler unter dem Lärm. Insoweit seien sie, die Kläger, daher in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht sowie in ihrem Eigentumsrecht verletzt, weil sie die Schulen als öffentliche Einrichtungen nicht mehr sachgerecht betreiben könnten. Außerdem müßten sie, falls eine Lärmreduzierung nicht erreicht werden könnte, erhebliche finanzielle Mittel aufwenden, um an den Schulgebäuden passive Lärmschutzmaßnahmen vorzunehmen. Auch andere öffentliche Einrichtungen, die sie im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsaufgaben betrieben, wie etwa die Kreissportschule in Lastrup, würden durch den Lärm erheblich beeinträchtigt werden. Außerdem würden sie in ihrer Planungshoheit verletzt, da sie neue öffentliche Einrichtungen zur Daseinevorsorge nicht mehr an denjenigen Standorte...