Rechtskräftig: ja (bestätigt durch Beschluss des BayVGH vom 8. Februar 2000 Nr. 24 ZS 00.10)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausweisung wegen Betäubungsmittelstraftat. besonderer Ausweisungsschutz. Ausnahme zur Regelausweisung. Kinderkonvention. Beiladung. Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

 

Normenkette

VwGO § 65; AuslG § 47 Abs. 1 Nr. 2, § 48 Abs. 1 Nr. 4; Kinderkonvention Art. 9; EMRK Art. 8

 

Tenor

I. Der Antrag auf Beiladung der Tochter des Antragstellers wird abgelehnt.

II. Der Sachantrag wird abgewiesen.

III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

IV. Der Streitwert wird auf 4.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts Neumarkt i.d.OPf. vom 19. Oktober 1999, durch den der Antragsteller mit sofortiger Wirkung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und seine Abschiebung in die Türkei angeordnet wurde.

Der 1962 geborene Antragsteller, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste erstmals kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag am 6. November 1978 in die Bundesrepublik Deutschland zu seinen hier lebenden Eltern ein. Am 4. Januar 1979 erhielt er erstmalig eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit wiederholt verlängert wurde. Am 11. November 1983 schloß der Antragsteller vor dem Türkischen Generalkonsulat in Nürnberg die Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen. Aus dieser Ehe ist eine am 31. Mai 1984 geborene Tochter hervorgegangen. Am 11. Dezember 1996 erteilte das Landratsamt Neumarkt i.d.OPf. (Ausländerbehörde) dem Antragsteller eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seine Ehefrau hat mit Wirkung vom 26. Oktober 1999 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.

Der Antragsteller trat im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich in Erscheinung:

  1. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Neumarkt i.d.Opf. vom 5. Dezember 1989 (284 Js 17344/89) wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.
  2. Am 7. Dezember 1992 verurteilte ihn das Amtsgericht Neumarkt i.d.OPf. (369 Js 11262/92) wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung.
  3. Ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz stellte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth durch Verfügung vom 6. Oktober 1998 (455 Js 43951/98) gemäß § 154 StPO ein.

Zuletzt verurteilte das Amtsgericht Nürnberg den Antragsteller am 15. Februar 1999 (50 Ls 351 Js 19446/98) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Nachdem der Antragsteller sich in dieser Sache seit dem 10. November 1998 in Untersuchungshaft befand, verbüßt er seit dem 10. Juni 1999 seine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg. Voraussichtliches Strafende ist der 9. Februar 2001. Zwei Drittel seiner Strafe wird der Antragsteller am 9. Mai 2000 verbüßt haben.

Aufgrund der letztgenannten Verurteilung wies die Ausländerbehörde den Antragsteller mit Bescheid vom 19. Oktober 1999 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Bundesgebiet aus (Nrn. 1, 3 des angefochtenen Bescheids) und ordnete seine Abschiebung aus der Strafhaft an (Nr. 2). Die Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß beim Antragsteller keine außergewöhnlichen Umstände vorlägen, die zur Annahme eines Ausnahmefalles von der Regelausweisung führten. Der Antragsteller habe über einen langen Zeitraum hinweg mit Betäubungsmitteln in einer Gesamtmenge von ca. 350 Gramm gehandelt, die er nach eigenen Angaben von einem Verwandten erhalten habe. Es sei daher davon auszugehen, daß die Kontakte zu dem Lieferanten weiterhin bestünden bzw. jederzeit wieder aufgenommen werden könnten. Eine konkrete Wiederholungsgefahr sei gerade auch im Hinblick auf die wiederholte Straffälligkeit des Antragstellers in der Vergangenheit anzunehmen. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Sie verstieße nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, da angesichts der Schwere der begangenen Straftat und der hierin zum Ausdruck gebrachten kriminellen Energie die familiären Interessen hinter dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Antragstellers zurücktreten müßten. Ebenso stünden weder Art. 8 Abs. 1 EMRK noch die Vorschriften des Übereinkommens über die Rechte des Kindes einer Ausweisung bzw. Abschiebung des Antragstellers entgegen. Art. 8 EMRK entfalte zumindest im Hinblick auf den Schutz der familiären Lebensgemeinschaft keine weitergehenden als durch Art. 6 GG bereits vermittelnden Schutzwirkungen. Gleiches gelte auch für die Regelungen des ÜRK, die ohnehin keine unmittelbaren und subjektiven Rechte vermittelten.

Gegen den Ausweisungsbescheid ließ der Antragsteller am 18. November 1999 Widerspruch einlegen, über den bisher nicht entschieden ist.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. November 1999 ließ der Antragstelle...

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