Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Anordnung. keine Vorwegnahme der Hauptsache. Zulassung zur Prüfung. Abschlussprüfung Fachlagerist. Ausbildungszeit nicht „zurückgelegt”. Fehlzeiten von 99 (bzw. 110) Arbeitstagen in 18 (bzw. 19) Monaten. Sinn und Zweck der fachspezifischen Zulassungsvoraussetzungen. keine Zulassung zur Prüfung aufgrund der gezeigten Leistungen. keine ausreichenden Leistungsnachweise. keine Erreichung des Ausbildungsziels in gekürzter Zeit. Abwägung (Nichtzulassung auch im Interesse des Prüflings). Streitwert über Zulassung genauso wie bei Streit über berufseröffnende Prüfung selbst. Ablehnung der Prozesskostenhilfe
Normenkette
ZPO § 114; VwGO § 123; BBiG § 1 Abs. 3, § 8 Abs. 1 S. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 1 S. 2
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
1.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin (Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt) die Zulassung zur Abschlussprüfung Sommer 2013 im Ausbildungsberuf Fachlagerist/-in.
Der Antragsteller absolviert seit 1. Oktober 2011 aufgrund eines Berufsausbildungsvertrages vom 30. September 2011 eine Ausbildung zum Fachlageristen bei der AFZ-Personalvermittlung und Service GmbH (AFZ). Das Ausbildungsverhältnis endet regulär am 30. September 2013. Der Antragsteller begehrte mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 die Zulassung zur Abschlussprüfung Sommer 2013 im Ausbildungsberuf „Fachlagerist”. Prüfungstermin ist der 7. Mai 2013. Mit Schreiben des AFZ vom 14. März 2013 wurden für das Ausbildungsverhältnis insgesamt 99 Fehltage gemeldet. Bis zum 29. April 2013 erhöhte sich die Anzahl der Fehltage um weitere elf auf insgesamt 110 Fehltage.
Die Antragsgegnerin legte aufgrund von Bedenken über das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen den Zulassungsantrag dem Prüfungsausschuss zur Entscheidung vor. Der Prüfungsausschuss behandelte den Antrag in seiner Sitzung vom 26. März 2013 und lehnte den Antrag auf Zulassung zur Abschlussprüfung Sommer 2013 ab. Zur Begründung führte er in der Niederschrift vom 26. März 2013 aus, die Berufsausbildung habe gemäß § 1 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz (BBiG) die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie habe ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrung zu ermöglichen. Die Vorschrift nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG beschränke sich deshalb nicht darauf, dass die Ausbildungszeit bloß kalendarisch „abgelaufen” sei, vielmehr verlange sie, dass sie „zurückgelegt” worden sei. Die Berufsausbildung müsse in der Ausbildungszeit auch im Wesentlichen tatsächlich systematisch betrieben worden sein. Fehlzeiten fielen nicht ins Gewicht, wenn sie zusammengerechnet nicht mehr als 10 % der im Berufsausbildungsvertrag vorgesehenen Ausbildungszeit betrügen. Ausgehend von 220 Arbeitstagen pro Ausbildungsjahr ergäben 99 Fehltage Fehlzeiten von fast einem halben Jahr bzw. 22,5 %. Ein Zulassungsanspruch bestehe trotz größerer Fehlzeiten nur, wenn gleichwohl das Ausbildungsziel erreicht sei oder wenn die Leistungen des Antragstellers dies rechtfertigten. Der Prüfungsausschuss komme nach Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller die Ausbildungszeit nicht i.S.d. § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG „zurückgelegt” habe. Ferner sei der Prüfungsausschuss der Überzeugung, dass der Antragsteller das Ausbildungsziel nicht erreicht habe und seine Leistungen die Zulassung der Prüfung ebenfalls nicht rechtfertigten.
Die Antragsgegnerin wies mit Bescheid vom 23. April 2013 den Antrag auf Zulassung zur Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Fachlagerist im Prüfungstermin Sommer 2013 zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Berufsausbildung habe gemäß § 1 Abs. 3 BBiG die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie habe ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrung zu ermöglichen. Die Vorschrift nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG beschränke sich deshalb nicht darauf, dass die Ausbildungszeit bloß kalendarisch „abgelaufen” sei, vielmehr verlange sie, dass sie „zurückgelegt” worden sei. Die Berufsausbildung müsse in der Ausbildungszeit auch im Wesentlichen tatsächlich systematisch betrieben worden sein. Fehlzeiten fielen hierbei nicht ins Gewicht, wenn sie zusammengerechnet nicht mehr als 10 % der im Berufsausbildungsvertrag vorgesehenen Ausbildungszeit betrügen, denn dann sei grundsätzlich noch davon auszugehen, dass eine regelgerechte Berufsausbildung unter Vermittlung aller notwendigen Ausbildungsinhalte mögli...