rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung. Widerspruchsverfahren. Geschäftsgebühr. Willkürverbot. Anrechnung. Antrag auf Zulassung der Berufung
Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Rechtsanwalt sowohl im Verwaltungsverfahren (Ausgangsverfahren) als auch im Widerspruchsverfahren tätig wird, kann im Wege der Kostenerstattung durch die Behörde nach § 80 Abs. 2 LVwVfG/VwVfG nur die Geschäftsgebühr aus Nr. 2301 VV RVG (früher Nr. 2401) festgesetzt werden. Weder aus Gründen des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) noch der allgemeinen Billigkeit ist die höhere allgemeine Geschäftsgebühr aus Nr. 2300 VV RVG (früher Nr. 2400) zur Erstattung festzusetzen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; VwVfG § 80 Abs. 2; RVG § 17; VV RVG Nrn. 2300-2301; VV RVG Vorbem. 3 Abs. 4
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Urteil vom 12.11.2007; Aktenzeichen 6 K 4194/05) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. November 2007 – 6 K 4194/05 – wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 209,50 EUR festgesetzt.
Gründe
Der rechtzeitig gestellte und begründete, auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
Die Klägerin erhielt von der Beklagten auf ihren Antrag eine Aufenthaltserlaubnis, die mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde” versehen war. Gegen diesen Zusatz legte die Klägerin Widerspruch ein, dem die Beklagte abhalf. Daraufhin beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin, der sie sowohl im Ausgangsverfahren wie auch im Widerspruchsverfahren vertreten hatte, ihm für seine Tätigkeit – bei einem Streitwert von 5.000,– EUR – als Kosten u.a. 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV in Höhe von 391,30 EUR festzusetzen. Die Beklagte setzte stattdessen als Kosten nur 0,7 Geschäftsgebühr in Höhe von 210,70 EUR fest.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Verpflichtungsklage der Klägerin auf Festsetzung der beantragten Kosten abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe für die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren zu Recht 0,7 einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2401 (jetzt Nr. 2301) des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) angesetzt. Anders als etwa beim Anfall einer Geschäftsgebühr und einer anschließenden Verfahrensgebühr (vgl. amtliche Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG) gehe es nicht um die teilweise Anrechung einer anderen Gebühr. Vielmehr falle im Widerspruchsverfahren lediglich ein Teil der Geschäftsgebühr an, ohne dass es zu einer Anrechnung käme.
Mit ihrem Zulassungsantrag macht die Klägerin ernstliche Zweifel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und trägt vor, die zu erstattenden Kosten dürften nicht nach Nr. 2401 (gemeint ist wohl Nr. 2301) VV RVG gekürzt werden. Es sei zwischen dem Innenverhältnis der Klägerin zu ihrem Rechtsanwalt und ihrem Außenverhältnis zur Behörde zu unterscheiden. Im Außenverhältnis solle eine Anrechnungsregelung nicht zugunsten der Behörde Platz greifen, weil die in den unterschiedlichen Gebührenansätzen zum Ausdruck kommende Anrechnung der bereits zuvor erlangten Geschäftsgebühr einem Verfahrensgegner nicht zugute kommen solle. Daher habe die Beklagte die Gebühr nach Nr. 2400 (richtig: 2300) und nicht nur nach Nr. 2401 (richtig: 2301) VV RVG zu erstatten. Die Gebührenregelung bezwecke nicht, den Auftraggeber des Rechtsanwalts dadurch zu belasten, dass er die im gerichtlichen Verfahren – hier: im gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzverfahren (richtig: im Widerspruchsverfahren) – entstehenden Gebühren nicht in vollem Umfang gegenüber der kostenpflichtigen Gegenseite abrechnen könne. Ein solches Verständnis würde zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass die Gegenseite nur deshalb niedrigere Kosten zu erstatten hätte, weil der Rechtsanwalt bereits vorgerichtlich tätig gewesen sei. Darüber hinaus sei Nr. 2401 (richtig: 2301) VV RVG auch deshalb nicht anwendbar, weil das Ausgangsverfahren und das Widerspruchsverfahren unterschiedliche Streitgegenstände gehabt hätten. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei nicht die Aufenthaltserlaubnis des Ausgangsverfahrens gewesen, sondern nur noch die damit verbundene Auflage als „Minus”, das eine Anrechnung ausschließe.
Mit diesem Vorbringen werden weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der waltungsgerichtlichen Entscheidung begründet (1.) noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt (2).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der jeweils dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung ...