rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Polizeibeamter. Handel mit Anabolika. Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Gleichstellung mit Betäubungsmitteln. Disziplinarmaß. Degradierung
Leitsatz (amtlich)
In Fällen des Handeltreibens mit Anabolika kommt eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zur disziplinarrechtlichen Bewertung von Drogen- und Rauschgiftdelikten (in der Regel Entfernung aus dem Dienst) nicht in Betracht. Vielmehr hängt die Disziplinarmaßnahme stets von den Umständen des Einzelfalls ab (in Fortführung von BVerwG, Urteil vom 09.12.1998 – 1 D 111.97 –, NVwZ 1999, 881).
Normenkette
LDO §§ 10-11; LBG § 71 Abs. 1, § 73 S. 3; AMG §§ 6a, 95 Abs. 1 Nr. 2a
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Urteil vom 24.03.2003; Aktenzeichen DL 20 K 1/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Beamten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. März 2003 – DL 20 K 1/03 – mit Ausnahme der Kostenentscheidung aufgehoben.
Der Beamte wird in das Amt eines Polizeimeisters versetzt.
Der Dienstherr trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beamten im Berufungsverfahren.
Tatbestand
I.
1. Der am 26.09.1972 geborene Beamte wurde nach Erwerb der allgemeinen Hochschulreife im Jahre 1992 am 01.09.1992 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeianwärter in den Polizeivollzugsdienst eingestellt. Am 01.09.1993 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeiwachtmeister und zum 01.08.1994 zum Polizeioberwachtmeister ernannt. Nach Bestehen der Laufbahnprüfung für den mittleren Dienst der Schutzpolizei am 25.01.1995 mit der Note „gut” (2,33) wurde er am 01.02.1995 zum Polizeimeister und am 01.10.1997 zum Polizeiobermeister befördert. Am 26.09.1999 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Zuletzt wurde der Beamte am 14.10.1999 mit dem Gesamturteil „gut” (1,75) beurteilt.
Der Beamte ist verheiratet und hat eine zwei Jahre alte Tochter. Seine Frau leitet Schwimmkurse und verdient zwischen 500,– und 1.000,– EUR monatlich. Der Beamte studiert nunmehr Rechtswissenschaften an der Universität XXXXXX und befindet sich im sechsten Fachsemester.
Disziplinarrechtlich ist der Beamte bisher nicht in Erscheinung getreten.
2. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts XXXXXXX vom 12.12.2000 – 50 Cs 352 Js 17048/00 – wurde der Beamte wegen unerlaubten Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in 9 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Strafbefehl lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„Seit etwa 1986 betreiben Sie Kraftsport. Etwa seit 1995 benutzen Sie Dopingmittel, um Ihre eigene Körperkraft zu stärken. Etwa ab 1999 erwarben Sie in der Regel bei Wettkämpfen im In- und Ausland größere Mengen Anabolika, von denen Sie einen Teil selbst verwendeten, aber den überwiegenden Teil gewinnbringend weiter verkauften. Bei den Anabolika handelte es sich um verschreibungspflichtige Arzneimittel. Unter anderen kauften bzw. verkauften Sie die Testosteron-Präparate „Sustanon” und „Deca-Durabolin”. Neben vielen Kraftsportlern, die als Abnehmer unbekannt geblieben sind, lieferten Sie unter anderem auch diese verschreibungspflichtigen Doping-Präparate an XXXXXXXX, der in der XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX wohnt. Dieser erwarb in einigen Fällen verschreibungspflichtige Dopingmittel von Ihnen. Im einzelnen wurden folgen „Geschäftsvorfälle” bekannt:
- Im November 1998 erwarben Sie anlässlich eines Urlaubs in Ägypten Anabolika, die sie dann nach Deutschland verbrachten. Der Gesamtwert der erworbenen Anabolika betrug etwa 4.000,– DM. Ein Viertel dieser Menge verbrauchten Sie selbst, die restlichen drei Viertel verkauften Sie an diverse Kraftsportler unter anderem auch XXXXXXXXX zum Verkaufspreis von 5.500,– DM.
- Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende 1998/Anfang 1999 erwarben Sie erneut Anabolika zum Einkaufspreis von ca. 4.000,– DM. Wieder verbrauchten Sie etwa ein Viertel der Einkaufsmenge für sich selbst, die restlichen drei Viertel verkauften Sie unter anderem an XXXXXXXXXXXXX und an einen kanadischen Kraftsportkollegen zum Verkaufspreis von insgesamt 4.500,– DM.
- Anlässlich der Weltmeisterschaft in XXXX/Österreich im November 1998 erwarben Sie für 10.000,– DM Anabolika. Etwa ein Drittel dieser Menge verwendeten Sie in der Folgezeit für sich selbst, veräußerten etwa ein Drittel der Ware an Wettkampfkollegen aus den Vereinigen Staaten von Amerika, Kanada und der Schweiz zum Verkaufspreis von 9.000,– DM und ein weiteres Drittel nach der Rückkehr nach Deutschland an andere inländische Kraftsportler zum Verkaufspreis von ca. 6.000,– DM.
- Anlässlich der Europameisterschaft in XXXX in Österreich im Mai 1999 erwarben Sie für ca. 10.000,– DM Anabolika, die Sie komplett an andere Kraftsportler – unter anderem auch XXXXXXXXXXXX – zum Gesamtverkaufspreis von 15.000,– DM weiter veräußerten.
- Im August 1999 fand ein Trainingslager in XXXXXX/Österreich statt. Von dem erwor...