Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Feststellungsklagen. Verpflichtungsklage. Verwaltungsakt. Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. Rechtsnatur der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages im Verhältnis zu den Tarifvertragsparteien. Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob gegen die Entscheidung des Arbeitsministeriums über den Erlaß der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages (§ 5 Abs. 1 S. 1 TVG) der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (hier offen gelassen).
2. Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages durch das Arbeitsministerium gem. § 5 Abs. 1 S. 1 TVG ist auch im Verhältnis zu den antragstellenden Tarifvertragsparteien ein Rechtsetzungsakt und kein Verwaltungsakt.
Normenkette
VwGO §§ 40, 113 Abs. 1 S. 4, § 43; VwVfG § 35
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Urteil vom 25.06.1984; Aktenzeichen 10 S 2310/84) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Juni 1984 – 15 K 412/84 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die klagende Gewerkschaft … begehrt die – bisher abgelehnte – Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen sowie ein früheres Wirksamwerden der vom Beklagten ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen.
Die Klägerin hatte mit den beigeladenen Arbeitgeberverbänden der … industrie am 5.7.1983 vier Lohntarifverträge für die gewerblichen und für die berufsfremden gewerblichen Arbeitnehmer der … Industrie und der … Industrie in …, zwei Urlaubsgeldabkommen für die gewerblichen Arbeitnehmer der … sindustrie und der … industrie in … sowie zwei Tarifvertrage über die Vergütung für Auszubildende abgeschlossen. Die Lohntarifverträge und die Tarifverträge über die Vergütung von Auszubildenden wurden ab 1.5.1983, die Urlaubsgeldabkommen bereits ab 1.1.1983 wirksam.
Mit Schreiben vom 5.8.1983 beantragte die Klägerin beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg die Allgemeinverbindlicherklärung dieser Tarifverträge. Der Antrag wurde am 5.11.1983 im Bundesanzeiger und im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg bekannt gemacht. Am 9.12.1983 erteilte der beim Ministerium bestehende Tarifausschuß das Einvernehmen, die Tarifvertrage antragsgemäß für allgemeinverbindlich zu erklären. In seiner Entscheidung vom 20.12.1983 entsprach das Ministerium dem Antrag jedoch nur insoweit, als es die Lohntarifverträge mit Wirkung vom 5.11.1983 für allgemeinverbindlich erklärte. Eine Allgemeinverbindlicherklärung der Urlaubsgeldabkommen und der Tarifverträge über die Vergütung für Auszubildende lehnte es ebenso wie die beantragte rückwirkende Allgemeinverbindlicherklärung der Lohntarifverträge bereits ab 1.1. bzw. 1.5.1983 ab. Zur Begründung führte das Ministerium aus: Im Hinblick auf die in § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) aufgestellten Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifvertrage könne zwar davon ausgegangen werden, daß die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v.H. der unter den Geltungsbereich der Tarifvertrage fallenden Arbeitnehmer beschäftigen würden; die Allgemeinverbindlicherklärung sei jedoch, soweit sie abgelehnt würde, nicht im öffentlichen Interesse geboten. Diese am 11.1.1984 im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg und am 25.1.1984 im Bundesanzeiger bekannt gemachte Entscheidung wurde der Klägerin am 29.12.1983 zugestellt.
Am 27.1.1984 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart gegen die Entscheidung des Ministeriums Klage erhoben, soweit die Behörde die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung abgelehnt hat. Die Klägerin hat die Verpflichtung des Beklagten beantragt, die zwischen ihr und den Beigeladenen abgeschlossenen Lohntarifverträge sowie die Urlaubsgeldabkommen und die Tarifverträge über die Vergütung für Auszubildende insgesamt und bereits mit Wirkung vom 1.5. bzw. 1.1.1983 für allgemeinverbindlich zu erklären; hilfsweise, über ihren Antrag vom 5.8.1983, soweit er abgelehnt wurde, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Weiter hilfsweise hat die Klägerin die Feststellung beantragt, daß die Tarifverträge für allgemeinverbindlich hätten erklärt werden müssen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig. Dies ergebe sich daraus, daß die Allgemeinverbindlicherklärung wegen ihrer Doppelnatur den vertragschließenden Tarifparteien gegenüber ein Verwaltungsakt und lediglich den Außenseitern gegenüber ein Rechtsetzungsakt sei. Es bestehe hier der Sache nach ein Anspruch auf die Allgemeinverbindlicherklärung aller im Antrag vom 5.8.1983 aufgeführten Tarifverträge. Der Beklagte habe bei Vorliegen der übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 TVG eine Ermessensentscheidung zu treffen. Die tarifgebundenen Arbeitgeber würden hi...