Rechtskraft nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ashkali. Ausreisemöglichkeit. Entscheidungsbefugnis des Leistungsträgers Kosovo. Leistungen nach dem AsylbLG
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung von § 2 Abs. 1 AsylbLG.
Normenkette
AsylbLG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Sigmaringen (Urteil vom 16.01.2002; Aktenzeichen 3 K 388/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 16. Januar 2002 – 3 K 388/01 – geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 21.06.2000 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 07.03.2001 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum 01.07.2000 bis zum 07.03.2001 Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am 12.12.1951 und 06.10.1959 geborenen Kläger 1 und 2 sind die Eltern der am 03.08.1987 und 14.11.1989 geborenen Kläger 3 und 4. Die Kläger stammen aus der Bundesrepublik Jugoslawien und besitzen die Volkszugehörigkeit der Ashkali. Sie reisten am 15.07.1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten die Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Die am 03.09.1991 gestellten Asylanträge der Kläger wurden mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 08.10.1991 abgelehnt. Ihre Klage blieb erfolglos (Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 01.04.1993 – A 12 K 13802/91). Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 16.09.1993 (A 14 S 1100/93) ab. Die von den Klägern gestellten Asylfolgeanträge blieben ebenfalls erfolglos. Der zuletzt am 21.05.1999 gestellte Folgeantrag wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 04.04.2002 abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 14.02.2003 (A 4 K 10854/02) ab; diese Entscheidung ist seit dem 15.05.2003 rechtskräftig. Die Kläger sind im Besitz von Duldungen.
Mit Bescheid vom 21.06.2000 setzte der Beklagte die Leistungen für die Kläger gemäß §§ 3 und 6 AsylbLG ab dem Monat Juli 2000 auf 2.405 DM fest. Eine Anwendung von § 2 Abs. 1 AsylbLG komme nicht in Betracht, weil aufenthaltsbeendende Maßnahmen vollzogen werden könnten. Der Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 07.03.2001 zurück gewiesen. Im Widerspruchsbescheid ist ausgeführt: Die Kläger gehörten zum leistungsberechtigten Personenkreis des AsylbLG und hätten auch über eine Dauer von 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Der Anwendung von § 2 Abs. 1 AsylbLG stehe aber die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise entgegen. Auch die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Ashkali stehe einer Ausreise nicht entgegen. Auch die weitere Voraussetzung, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten, sei nicht erfüllt. Bei der Volksgruppe der Ashkali bestehe derzeit nur ein zeitlicher Aufschub des Vollzugs der Abschiebung, weil die Rückführung dieses Personenkreises zeitlich abgestuft erfolgen solle. Unterbleibe die Abschiebung aber nur aus solchen tatsächlichen Gründen, komme die Leistungsprivilegierung des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht zur Anwendung.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Kläger am 09.3.2001 zugestellt.
Die Kläger haben am 15.03.2001 Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgen. Sie machten geltend, dass die Leistungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG gegeben seien. Die 36-Monats-Frist sei unstreitig erfüllt. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei eine Rückkehr in die Provinz Kosovo aber aus humanitären und rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Als Angehörige der Volksgruppe der Roma müssten sie im Falle einer Rückkehr mit Gefahr für Leib und Leben rechnen, so dass § 53 Abs. 6 AuslG der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegen stehe. § 2 AsylbLG sei die Einschätzung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass eine Absenkung der Hilfe unter das Sozialhilfeniveau allenfalls für die Dauer von 36 Monaten zulässig sei. Eine längere Dauer sei mit dem Menschenwürdegrundsatz und dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar. Ausnahmen von § 2 Abs. 1 AsylbLG könnten daher nur in sehr engem Rahmen zulässig sein. § 2 Abs. 1 AsylbLG müsse so verstanden werden, dass eine Kürzung nicht mehr in Betracht komme, wenn rechtliche, persönliche oder humanitäre Gründe einer freiwilligen Ausreise entgegenstünden. Bei geduldeten Ausländern seien diese Voraussetzungen regelmäßig gegeben, weil eine Duldung zumeist aus humanitären, rechtlichen oder persönlichen Gründen oder solchen des öffentlichen Interesses erfolge. Dies sei regelmäßig bei Duldungen nach §§ 53, 54 und 55 Abs. 3 AuslG der Fall. Bei Erteilung einer D...