Rechtskraft nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
öffentliche Belange. standortnahes Zwischenlager. Erteilung einer Baugenehmigung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Zwischenlager, das innerhalb des geschlossenen Geländes einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität errichtet wird und in dem bestrahlte Kernbrennstoffe bis zu deren Ablieferung an eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle aufbewahrt werden, bedarf neben einer Genehmigung nach § 6 Abs. 1 AtG einer Baugenehmigung.
2. Der Regelungsgehalt dieser Baugenehmigung umfasst grundsätzlich nicht die nuklearspezifischen Anforderungen des Betriebs des Zwischenlagers. Da aber auch in diesem Fall die vom Betrieb des geplanten Bauwerks ausgehenden Emissionen und Gefahren bedacht werden müssen, gehört zu den Genehmigungsvoraussetzungen die Prognose, dass das Bauwerk geeignet ist, nach seiner Errichtung zu dem vorgesehenen Zweck auch betrieben zu werden (wie BVerwG, Beschluss vom 2.6.1988 – 4 C 1.88 –, RdE 1988, 194).
3. Ein solches Zwischenlager ist im Außenbereich privilegiert zulässig. Bei der im Rahmen des § 35 Abs. 1 BauGB vorzunehmenden Abwägung wird das durch die Privilegierung ohnehin bestehende Gewicht der für eine Realisierung des Vorhabens im Außenbereich sprechenden Gesichtspunkte dadurch verstärkt, dass der Standort eines solchen Zwischenlagers kraft Gesetzes festgelegt worden ist.
4. Ein atomares Zwischenlager widerspricht nicht dem in Plansatz 4.2.1.22 (Z) des Regionalplans des Verbandes Stuttgart enthaltenen Ziel der Raumordnung, den Kraftwerkstandort Gemmrigheim/Neckarwestheim zu sichern und dort nur der Energiegewinnung nicht entgegenstehende Maßnahmen umzusetzen.
Normenkette
AtG § 6 Abs. 1, 3, § 9a Abs. 3 S. 2; BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Sätze 1-2; LBO § 58
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamtes Ludwigsburg vom 2. April 2001 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17. Mai 2001 verpflichtet, über den Bauantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin – eine GmbH – betreibt das Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar. Das Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar besteht aus zwei Blöcken (GKN I und II). Der östliche Teil des Kraftwerksgeländes liegt auf dem Gebiet der Gemeinde Neckarwestheim (Landkreis Heilbronn), der westliche Teil des Geländes mit u.a. dem Block I und dem Maschinenhaus zu Block I sowie dem Verwaltungsgebäude und dem Parkplatz auf Gemarkung der Beigeladenen (Landkreis Ludwigsburg).
Mit Schreiben vom 23.11.2000/14.5.2001 beantragte die Klägerin die Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung eines Zwischenlagers für abgebrannte Brennelemente am Standort des Gemeinschaftskernkraftwerks Neckar auf den Grundstücken Flst.-Nrn. 2360 und 2330 (Neckarwestheimer Straße) der Gemarkung der Beigeladenen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Neckars etwa 300 m in west-/nordwestlicher Richtung entfernt liegt das Naturschutzgebiet „Kirchheimer Wasen” und in ca. 2 km Entfernung nordwestlich des geplanten Zwischenlagers das Naturschutzgebiet „Lauffener Neckarschlinge”. Das Zwischenlager dient der vorübergehende Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in Form von bestrahlten Brennelementen aus den Blöcken GKN I und GKN II in Transport- und Lagerbehältern, von sonstigen radioaktiven Stoffen, die als Innenkontamination in unbeladenen Behältern vorliegen, und von kernbrennstoffhaltigen Abfällen und sonstigen radioaktiven Stoffen, die als Abfälle im Zwischenlager anfallen, sowie von Prüfstrahlern. Der Betrieb des Zwischenlagers ist auf max. 40 Jahre nach Nutzungsbeginn beschränkt. Das Zwischenlager besteht aus einem Eingangsgebäude mit Sozialtrakt und Eingangshalle mit Behältervorbereitungsbereich, zwei unterirdischen Tunnel (Tunnel 1 als Lager- und Behälterreinigungsbereich, Tunnel 2 als Lagerbereich), einem Abluftbauwerk und einem Fluchtbauwerk mit Fluchtkorridor, -treppenhaus und -ausstiegsgebäude. Das Eingangsgebäude weist eine Breite von 12,5 m und eine Länge von ca. 67,5 m (ca. 21 m Sozialtrakt und ca. 46,5 m Eingangshalle) auf. Der dreigeschossige Sozialtrakt ist ca. 12,3 m und die eingeschossige Eingangshalle ca. 16,5 m hoch. Die beiden Lagertunnelröhren verlaufen parallel. Sie sind 14 m breit, 17,25 m hoch und 82 bzw. 90 m lang und sollen 151 Transport- und Lagerbehälter aufnehmen. Die Erdüberdeckung beträgt ca. 15 m. Die genannten Grundstücke liegen im Gebiet „Bild”, für das der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 24.1.2000 einen Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Erlass einer Veränderungssperre als Satzung zur Sicherung der Planung im Geltungsbereich dieses Bebauungsplans gefasst hatte.
Am 22.1.2001 beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen, das Einvernehmen zu dem Bauantrag der Klägerin zu verweigern. Diesem Beschluss widersprach die Bürgermeisterin der ...