Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage. Disziplinarrecht. Personalvertretung. sonstiges Dienstrecht. Feststellungsinteresse bei. Disziplinarverfahren. Mitbestimmung. Gesetzesvorbehalt. Personalfragebogen. Weisungsrecht. sachliche Weisung. persönliche Weisung. gen nach Auskunft. Abwägung, Fürsorgepflicht. Plausibilisierung. Sicherheitsüberprüfung. Sicherheitsrisiko. Verschlußsache. Fragebogen Erklärungsbogen. Geheim, Geheimhaltung. Geheimhaltungsvorschrift. Offenbarungspflicht, Unterrichtspflicht. beamtenrechtlicher Weisung zur Ausfüllung eines Erklärungsbogens
Leitsatz (amtlich)
1. Das Interesse eines Beamten an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Weisung kann sich aus der Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen Nichtausführung der Weisung ergeben.
2. Der das Mitbestimmungsrecht einschränkende Vorbehalt des Gesetzes greift bei dem Mitbestimmungstatbestand des § 79 Abs. 3 Nr. 3 LPVG (Inhalt von Personalfragebogen) ein, wenn der Bürgermeister gemäß § 44 Abs. 3 Satz 3 GemO von einem Gemeidebeamten die Ausfüllung eines in den Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Bediensteten des Landes Baden-Württemberg vorgesehenen Erklärungsbogens verlangt.
3. § 74 LBG ermächtigt nicht nur zu sachlichen Weisungen an einen Beamten sondern auch zu in den persönlichen Rechtskreis des Beamten eingreifenden (persönlichen) Weisungen. Zum Gebot der Abwägung bei persönlichen Weisungen zur Obliegenheit des Dienstherrn, die Notwendigkeit einer in den persönlichen Rechtskreis des Beamten eingreifenden besonderen Auskunftsverlangen, dem Beamten gegenüber plausibel zu machen.
Normenkette
LPVG § 79 Abs. 3 Nr. 3; BPersVG § 76 Abs. 2 Nr. 2; GemO § 44 Abs. 3 S. 3; LBG § 74; BBG § 55; LVSG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Urteil vom 03.10.1988; Aktenzeichen 15 K 1701/87) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Oktober 1988 – 15 K 1701/87 – geändert. Es wird festgestellt, daß die Weisung der Beklagten vom 25. Februar 1987 und deren Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 1987 rechtswidrig waren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen,
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger steht als Stadtbauoberamtsrat im Dienste der Beklagten. Ende 1986 begann die Beklagte mit einer Sicherheitsüberprüfung für das in der Verteidigungsorganisation zu verwendende Personal. Anlaß war die NATO-Stabsrahmenübung Wintex-Cimex 1987 in der Zeit vom 4. bis 10.3.1987. Mit der Durchführung dieser als geheim eingestuften Übung sollten Bedienstete der Beklagten befaßt werden. Zum Zweck der Sicherheitsüberprüfung leitete die Beklagte den betroffenen Bediensteten im November 1986 einen Erklärungsbogen mit der Bitte zu, ihn auszufüllen und abzugeben. Der Erklärungsbogen enthielt einen umfangreichen Fragenkatalog, so auch zu den persönlichen Daten naher, im kommunistischen Machtbereich lebender Angehöriger sowie – unter Nr. 6 – zu „sonstigen Beziehungen in den kommunistischen Machtbereich unter Angabe des Staates.” Der Kläger machte Angaben zu seiner Person und lehnte im übrigen weitere Auskünfte ab.
Durch Verfügung der Beklagten vom 12.2.1987 wurde der Kläger angewiesen, den Erklärungsbogen binnen zwei Tagen vollständig ausgefüllt zu übergeben. Der sofortige Vollzug der Verfügung wurde angeordnet. Der Kläger machte weitere Angaben. Zu sonstigen Beziehungen in den kommunistischen Machtbereich (Nr. 6 des Fragebogens) gab er an:
Verwandte in der DDR; mehrere Verwandte in Polen – Tanten und Onkels; Kontakte zu Kollegen in Polen und UdSSR – berufspolitische Kontakte –
Durch Verfügung der Beklagten vom 25.2.1987 wurde der Kläger erneut angewiesen, den Erklärungsbogen bis 26.2.1987 vollständig ausgefüllt abzugeben. Unter Nr. 6 seien verwandtschaftliche Beziehungen zusätzlich unter Angabe von Name, Vorname, Anschrift der Verwandten anzugeben. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Da der Kläger die Verfügung nicht befolgte, wurden gegen ihn durch Verfügung vom 2.3.1987 disziplinarrechtliche Vorermittlungen eingeleitet. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verfügung vom 25.2.1987 wies die Beklagte durch Bescheid vom 14.5.1987 als unbegründet zurück.
Am 15.6.1987 hat der Kläger fristgerecht Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Er hat die Feststellung beantragt, daß die Bescheide der Beklagten vom 25.2. und vom 14.5.1987 rechtswidrig sind. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 3.10.1988 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Die beanstandete Weisung sei auf der Grundlage des § 74 LBG rechtmäßig gewesen. Die vom Kläger verlangten Angaben seien zur Verwirklichung der Aufgaben der Beklagten im Rahmen der Verteidigungsorganisation geeignet und erforderlich gewesen. Aufgrund der beamtenrechtlichen Treuepflicht sei der Beamten zu solchen Angaben verpflichtet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerechte Berufung des Klägers. Er beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttga...