Entscheidungsstichwort (Thema)

Wasserzähler. Eichfrist. Verwendungsüberwachung. Beanstandungsfall. Verwaltungsgebühr. Gebührenschuldner. Messgeräteverwender. Messwerteverwender. Eigentümer. WEG. Messdienstleistungsunternehmen. Auswahlermessen

 

Leitsatz (amtlich)

1 Ein Anknüpfungspunkt für eine gebührenrechtliche Zurechnung einer eichrechtlichen Verwendungsüberwachung kann sich aus dem Pflichtenkreis des Verwenders des kontrollierten Messgerätes (§ 3 Nr. 22, § 31 MessEG) sowie aus dem Pflichtenkreis des Verwenders der damit ermittelten Messwerte (§ 3 Nr. 23, § 33 MessEG) ergeben.

2. Ein Messdienstleistungsunternehmen, das zur Erfüllung seiner gegenüber dem Grundstückseigentümer bestehenden vertraglichen Pflicht Messwerte von Messgeräten des Eigentümers abliest und mithilfe der Werte Abrechnungsentwürfe für ihn zur weiteren Verwendung gegenüber Dritten (Mitgliedern einer WEG, Mietern) erstellt, wird durch diese Tätigkeit allein noch nicht zu einem „Verwender des Messgeräts” (Abgrenzung zu OVG NRW, Urt. v. 06.06.2019 – 4 A 804/16 – NWVBl 2019, 463), allerdings zu einem „Verwender der Messwerte”.

3. Der Verwender von Messwerten kann seiner aus § 33 Abs. 2 MessEG folgenden eigenständigen Kontrollpflicht betreffend die Gesetzeskonformität der benutzten Messgeräte durch eine vertragliche Abrede mit dem Verwender der Messgeräte genügen. Formelhafte Vertragsbestimmungen (hier: AGB) genügen dafür allerdings nicht. Erforderlich ist eine vertragliche Abrede, die erkennen lässt, dass sich die Vertragsparteien mit den im Einzelfall vorhandenen Geräten konkret auseinandergesetzt und die Frage nach der effektiven Überwachung der Eichfristen bewusst geregelt haben.

4. Kommen als Schuldner für eine Verwendungsüberwachungsgebühr sowohl der Messgeräteverwender als auch ein Messwerteverwender in Betracht, haften sie als Gesamtschuldner. Bei der Ausübung ihres diesbezüglichen Auswahlermessens hat die Behörde die durch das Willkürverbot und offenbare Unbilligkeiten gezogenen Grenzen zu beachten.

 

Normenkette

MessEG § 3 Nrn. 22-23, §§ 31-33, 54, 59; MessEV § 6 Nr. 6; MessEGebV; Richtlinie 2014/32/EU

 

Verfahrensgang

VG Stuttgart (Urteil vom 15.11.2018; Aktenzeichen 1 K 16072/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. November 2018 – 1 K 16072/17 – geändert. Der Gebührenbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen – Eich- und Beschusswesen – Nr. 17027817 vom 6. September 2017 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Messdienstleistungsunternehmen, wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Gebühr i.H.v. 125,– EUR für eine eichrechtliche Verwendungsüberwachung von im Eigentum Dritter stehenden Kaltwassermessgeräten.

Die Klägerin ist eine in der Immobilienwirtschaft tätige …. Sie erbringt für Eigentümer und Verwalter von Wohn- und Gewerbeimmobilien Dienstleistungen. Sie liest unter anderem bundesweit über 11 Millionen Messgeräte ab und übermittelt die abgelesenen Werte an ihre jeweiligen Auftraggeber.

Der Tätigkeit der Klägerin liegen in vielen Fällen – und so auch hier – folgende Rahmenbedingungen zugrunde: In der Gemeinde, in der die jeweilige Immobilie gelegen ist, versorgt das zuständige Versorgungsunternehmen ein Grundstück unter anderem mit Wasser. Die gelieferte Gesamtwassermenge wird an dem Hausanschluss mit einem dort befindlichen und in der Regel im Eigentum des Versorgungsunternehmens stehenden sog. Hauptzähler gemessen. Diese Hauptzähler werden von dem Versorgungsunternehmen selbst abgelesen. Dieses rechnet die gelieferte Wassermenge gegenüber dem Eigentümer oder ggf. – wie hier – der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ab. Das an den Hausanschluss gelieferte Wasser wird über die sich daran anschließenden Leitungen an die einzelnen Wohnungen oder sonstigen Nutzungseinheiten in dem Gebäude verteilt. In den Einheiten befinden sich sog. Unterzähler. Auf der Grundlage der an den Unterzählern abgelesenen Verbrauchswerte rechnet im Falle einer WEG diese oder der von ihr bestellte Verwalter den Verbrauch ggf. gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern und rechnen diese ggf. die Nebenkosten gegenüber ihren Mietern ab. Die Klägerin wird in solchen Fällen vielfach von der WEG durch einen privatrechtlichen Vertrag damit beauftragt, zum einen die Unterzähler abzulesen (sog. Ableseservice) sowie zum anderen, die abgelesenen Messwerte in Abrechnungsmuster einzutragen und als Abrechnungsentwürfe der WEG oder ihrem Verwalter zu übermitteln (sog. Abrechnungsservice). Die WEG rechnet den Wasserverbrauch ausgehend von den Abrechnungsentwürfen aufgrund eines von ihr zu fassenden Beschlusses selbst oder durch den Verwalter gegenüber den Wohnungseigentümern ab. Von wem die Unterzähler gestellt werden, in wessen Eigentum diese stehen und ob die Klägerin über die genannten Dienstleistungen (Ablese- und Abrechnungsservice) hinaus weitergehende Pflichten in Bezug auf die Unterzähler – beispielsweise deren...

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