Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsberater. Berufsständische Versorgung. Berufsunfähigkeit. Rechtsmissbrauch. Scheinehe. Versorgungsehe. Witwenrente. Bewilligung einer Witwenrente
Leitsatz (amtlich)
1. Berufsunfähigkeit im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung des Rechtsanwaltsversorgungswerkes Baden-Württemberg liegt vor, wenn das Mitglied infolge körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, den Beruf eines Rechtsanwalts in einem Umfang auszuüben, der zur Sicherung seiner Lebensgrundlage ausreicht. Bei der so anzustellenden Prüfung einer Berufsunfähigkeit ist eine Prognose aus der Sicht ex ante anzustellen.
2. Der Anspruch auf Witwenrente ist – unter anderem – ausgeschlossen, wenn die Ehe nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitglieds geschlossen und nicht mindestens drei Jahre bestanden hat (§ 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS). Auch hier liegt Berufsunfähigkeit nur vor, wenn die auf den Zeitpunkt der Eheschließung bezogene Prognose ergibt, dass der Rechtsanwalt infolge körperlichen Gebrechens etc. auf nicht absehbare Zeit seinen Beruf nicht in einem existenzsichernden Umfang wird ausüben können.
3. Die Satzung des Versorgungswerks für Rechtsanwälte regelt abschließend den Ausschluss eines Anspruchs auf Witwengeld für die Fälle, in denen das Mitglied eines natürlichen Todes binnen weniger als drei Jahre nach der Eheschließung verstorben ist.
Der Anspruch ist daher selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn ein beträchtlicher Altersunterschied zwischen den Eheleuten bestand (hier 32 Jahre) und eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht begründet wurde.
Normenkette
Satzung des Rechtsanwaltsversorgungswerks – RAVWS – § 29 Abs. 1; RAVWS § 25 Abs. 1 S. 2
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom xxxxxxxxxxx2001 – xxxxxxxxxxx – wird zurückgewiesen.
Das beklagte Versorgungswerk trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Witwenrente.
Die am xxxxxx1978 geborene Klägerin schloss am xxxxxx1998 die Ehe. Ihr am xxxxxx1946 geborener Ehemann, ein Rechtsanwalt, verstarb am 06.03.1999.
Er war seit xxxxxx1985 Mitglied des Beklagten und litt zumindest seit 1989 an Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit), einer Erkrankung, die mit einem gehäuften Auftreten von hepatozellulären Karzinomen im mittleren Lebensalter einhergeht. Am 16.02.1998 rief er vormittags von Südfrankreich aus bei seinem Hausarzt wegen akuter Oberbauchschmerzen an. Dieser riet zu einem Arztbesuch in Frankreich. Am Abend desselben Tages meldete sich der Ehemann der Klägerin wiederum und teilte mit, es sei die Diagnose eines unklaren Gallenblasenleidens gestellt worden. Der Hausarzt riet daraufhin zur Rückkehr nach Deutschland. Die bei dem Hausarzt am 19.02.1998 vorgenommene Sonografie ergab den Verdacht auf einen Lebertumor; zur weiteren Abklärung erfolgte noch am gleichen Tag die Einweisung ins Kreiskrankenhaus. Am 20.02.1998 wurde dort ein hepatozelluläres Karzinom (Leberkrebs) diagnostiziert.
Am xxxxxx1998 erfolgte ohne vorherige Aufgebotsfrist die Eheschließung.
Vom 02.03. bis 06.03.1998 befand sich der Ehemann der Klägerin stationär im xxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxx. Ausweislich des Arztbriefes vom 06.03.1998 ergaben die dabei durchgeführten Evaluierungsuntersuchungen keine Kontraindikationen hinsichtlich einer geplanten Lebertransplantation, sodass eine Meldung als potentieller Organempfänger erfolgen konnte. Eine Medikation erfolgte in jenem Zeitpunkt nicht. Vom 09.04. bis 01.05.1998 befand er sich zur Durchführung der Lebertransplantation im xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx der xxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxx. Ausweislich des Berichts vom 12.05.1998 gestaltete sich der postoperative Verlauf weitgehend unauffällig. Vom 12.05. bis 09.06.1998 befand sich der Ehemann der Klägerin in der xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxx xxx. Am 31.07.1998 wurde der Verdacht auf ein Tumorrezidiv gestellt, der sich in der Folge bestätigte.
Mit Vollmacht vom 11.03.1998 hatte der Ehemann der Klägerin die Rechtsanwälte xxxxxx und xxxxxx bevollmächtigt, sämtliche Angelegenheiten seiner Kanzlei einschließlich Terminswahrnehmung und Zahlungsverkehr während seiner krankheitsbedingten Abwesenheiten in eigener Verantwortung zu übernehmen. Am 15.09.1998 stellte er für Frau xxxxxxxxx xxxxxxx – die Mutter der Klägerin – eine Vollmacht aus, ihn in allen Angelegenheiten ohne Einschränkung zu vertreten und für ihn rechtsverbindliche Entscheidungen zu treffen. Diese beantragte daraufhin mit vom 06.12.1998 datierten Schreiben rückwirkend ab dem 15.09.1998 Berufsunfähigkeitsrente für ihren Schwiegersohn. Mit Verfügung vom 30.12.1998 widerrief der Präsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf entsprechenden Antrag die Zulassung des Ehemanns der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft. Durch Bescheid vom 29.01.1999 wurde für die Zeit ab 01. Januar 1999 Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von DM 2.665,11 monatlich bewilligt. In dem Bescheid heißt es...