Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehen. Erbteil. maßgeblicher Zeitpunkt. Rechtsschutzbedürfnis. Vermögen. Sozialhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Rechtsschutzbedürfnis an der Aufrechterhaltung der Klage eines Sozialhilfeempfängers gegen eine Entscheidung nach § 89 Satz 1 BSHG nach Verbrauch des von ihm einzusetzenden Vermögens.

2. Für die Anwendung von § 89 Satz 1 BSHG reicht es nicht aus, dass dem Hilfesuchenden Vermögen zusteht, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Darlehensgewährung erfolgen soll, bis auf weiteres nicht absehbar ist, ob er einen wirtschaftlichen Nutzen aus ihm wird ziehen können (im Anschl. an BVerwGE 106, 105).

 

Normenkette

BSHG § 89 S. 1

 

Verfahrensgang

VG Karlsruhe (Urteil vom 07.10.2002; Aktenzeichen 5 K 2140/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07. Oktober 2002 – 5 K 2140/01 – geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 30. November 2000 und ihr Widerspruchsbescheid vom 09. August 2001 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Gewährung von Sozialhilfe als Darlehen statt als Zuschuss.

Er erhielt von der Beklagten seit Jahren, zuletzt auf Grund eines Bewilligungsbescheids vom 11.09.2000, Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss. Am 24.11.2000 erfuhr die Beklagte von der Nachlasspflegerin des 1999 verstorbenen Großvaters des Klägers E. B., dass der Vater des Klägers, H. B. sen., als Erbe ermittelt worden, aber seinerseits am 30.01.2000 verstorben sei; der Erbteil von H. B. sen. habe ca. 90.000,– DM betragen. Darauf setzte die Beklagte den Kläger gegen seine Unterschrift (siehe Aktenvermerk vom 30.11.2000 – 2115.013424 –) davon in Kenntnis, dass die Sozialhilfe ab 01.12.2000 als Darlehen gewährt werde.

Durch Anwaltsschriftsatz vom 20.03.2001 ließ der Kläger Widerspruch einlegen mit der Begründung, gegenwärtig stehe lediglich fest, dass er Erbe sei, völlig offen sei aber, ob er im Hinblick auf eine mögliche Überschuldung überhaupt etwas aus dem Nachlass erhalten könne und ob der Schonbetrag überschritten werde; es sei nicht zulässig, ein Vermögen auf Verdacht zu fingieren. Gleichwohl schlossen die Beteiligten am 30.03.2001 einen Darlehensvertrag, in dem sie vereinbarten, dass ab 01.11.2000 die Hilfe zum Lebensunterhalt wegen des Erbanspruchs als Darlehen gewährt werde und die Rückzahlungsverpflichtung des Klägers auf die Höhe des Nachlasses unter Beachtung des Vermögensfreibetrages von 3.000,– DM beschränkt sei; ferner heißt es im Darlehensvertrag auch, er werde gegenstandslos, falls nach öffentlichem Recht die darlehensweise Sozialhilfegewährung nicht möglich sein sollte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte u.a. aus, dem Erbteil komme unbeschadet der unklaren Erbquote die Qualität verwertbaren Vermögens im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG zu, da er übertragen oder verpfändet oder ein Nießbrauch bestellt werden könne. Selbst wenn der Kläger nicht Erbe geworden sein sollte, stünde ihm jedenfalls ein Pflichtteilsanspruch zu. Zwar nehme die Verfügung über einen Erbteil eine gewisse Zeit in Anspruch, jedoch sehe § 89 BSHG für solche Fälle die darlehensweise Sozialhilfegewährung vor; von dieser Ermächtigung sei beim Kläger Gebrauch gemacht worden.

Am 23.08.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erheben lassen mit dem Antrag, die Bescheide vom 30.11.2000 und vom 09.08.2001 aufzuheben, und vortragen lassen: Verwertbares Vermögen habe erst im Juli 2001 vorgelegen, denn die Nachlasspflegerin habe, nachdem dem Kläger am 12.06.2001 ein Erbschein ausgestellt worden sei, den Erbteil mit einem am 19.07.2001 eingegangenen Schreiben beziffert und ihn am 10.08.2001 überwiesen. Die Umstellung auf darlehensweise Sozialhilfegewährung sei bis dahin unzulässig gewesen, weil nicht habe feststehen können, ob der Kläger überhaupt ein sozialhilferechtlich relevantes Vermögen erben würde. Das zeige der weitere Verlauf der Angelegenheit, denn mit Schreiben vom 06.11.2001 habe der Bezirk Schwaben eine Aufwendungs- und Kostenersatzforderung angekündigt, weil H. B. sen. seit 01.11.1989 bis zu seinem Tod Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen gewährt worden sei. Bei Bestandskraft der angefochtenen Bescheide hätte der Kläger zusätzlich zu dieser Forderung auch die als Darlehen erhaltene Sozialhilfe (Stand 01.12.2001: 26.000,– DM) zurückzuzahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert, der Vermögenserwerb eines Erben vollziehe sich im Todeszeitpunkt des Erblassers und nicht erst, wenn die Erbfolge geklärt oder der Nachlassbestand feststellbar sei. Bei einer künftigen Darlehensrückforderung hätte die Beklagte den Wert des Nachlasses sowie eventuell bestehende Nachlassverbindlichkeiten selbstverständlich zu berücksichtigen.

Durch Urteil vom 07.10.2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: § 89 Satz 1 BSHG betreffe gerade ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge