4.5.1 Abfindung eines Gesellschafters der GmbH & Co. KG
4.5.1.1 Gesetzlicher Abfindungsanspruch
Rz. 632
Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, ihm das zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre, § 738 Abs. 1 BGB, §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB. Der ausscheidende Gesellschafter hat also gegenüber den verbleibenden Gesellschaftern einen Zahlungsanspruch in Höhe seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. Der Wortlaut des Gesetzes legt eine Bewertung der Beteiligung unter dem Gesichtspunkt der Liquidation der Gesellschaft nahe (Zerschlagungs-, Versilberungswert).
Nach der Rechtsprechung ist aber der "Beteiligungswert auf der Grundlage des wirklichen Werts des lebenden Unternehmens zu errechnen (einschließlich der stillen Reserven und des Goodwill des Unternehmens). Dieser ergibt sich im Allgemeinen aus dem Preis, der bei einem Verkauf des Unternehmens als Einheit erzielt würde. Bei der Wertermittlung ist nach § 738 Abs. 2 BGB eine Schätzung möglich. Diese hat jedoch aufgrund konkreter Unterlagen zu erfolgen, so dass im Allgemeinen ein Sachverständigengutachten erforderlich sein wird. Dabei wird regelmäßig mit der heute herrschenden Auffassung von dem Ertragswert auszugehen sein. Dem Substanzwert und damit den in den bilanziellen Buchwerten steckenden stillen Reserven kommt insoweit, sofern kein Ausnahmefall gegeben ist, nur noch mittelbare Bedeutung zu." Diese BGH-Entscheidung verdient insofern besondere Beachtung, als der BGH in Übereinstimmung mit der modernen Betriebswirtschaftslehre den Ertragswert für die Bewertung eines Unternehmens zum entscheidenden Kriterium erklärt. In früheren Entscheidungen hatte der BGH die Auffassung vertreten, der Wert eines Unternehmens sei in der Regel durch eine Kombination von Substanz- und Ertragswert zu ermitteln, wobei teils der eine, teils der andere Faktor zum Ausgangspunkt zu nehmen und als der gewichtigere zu betrachten sei. Der BGH überließ es dem Tatrichter – sachverständig beraten –, darüber zu befinden, welche der in der Betriebswirtschaftslehre vertretenen Bewertungsmethoden im Einzelfall zu einem angemessenen Ergebnis führt.
4.5.1.2 Schwebende Geschäfte
Rz. 633
Neben dem Abfindungsanspruch hat der ausscheidende Gesellschafter nach der gesetzlichen Regelung einen Anspruch auf Teilnahme am Gewinn und Verlust, welcher sich aus den zur Zeit seines Ausscheidens schwebenden Geschäften ergibt, § 740 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB. Schwebende Geschäfte sind unmittelbar auf Erwerb gerichtete Rechtsgeschäfte der Gesellschaft, für die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters bereits eine rechtliche Bindung begründet ist, die aber beiderseits noch nicht erfüllt sind. Bei der Berechnung eines Abfindungsguthabens bleiben diese Geschäfte unberücksichtigt. Zur Mitwirkung bei der Abwicklung eines schwebenden Geschäfts ist der ausscheidende Gesellschafter weder berechtigt noch verpflichtet. In § 740 Abs. 2 BGB ist ihm aber ein besonderer gesetzlicher Rechenschafts- und Auskunftsanspruch eingeräumt. Der Ausgeschiedene kann zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres Rechenschaft über die inzwischen beendeten Geschäfte, Auszahlung des ihm gebührenden Betrags und Auskunft über den Stand der noch schwebenden Geschäfte verlangen. Auf diese Rechenschaftsverpflichtung findet § 259 BGB Anwendung. Somit hat die Gesellschaft dem ausgeschiedenen Gesellschafter "eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen" und entsprechende Belege vorzulegen, § 259 Abs. 1 BGB. Die Angaben über die Einnahmen sind an Eides statt zu versichern, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, § 259 Abs. 2 BGB.
Rz. 634
Diese Auskunfts- und Rechnungsdarlegungsansprüche, die der ausgeschiedene Gesellschafter gegen die verbleibenden Gesellschafter über den Zeitpunkt seines Ausscheidens hinaus hat, sind in der Regel unerwünscht. Daher wird in der Praxis oft die Beteiligung an schwebenden Geschäften ausgeschlossen.
4.5.1.3 Abfindungsklauseln
Rz. 635
Allgemeines
Die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters birgt eine Vielzahl von Problemen für die Gesellschaft. Die gesetzliche Abfindung zum wahren Wert der Beteiligung kann für ein Unternehmen einen unerwünscht...