1 Leitsatz
Auch nach der WEG-Reform können die Wohnungseigentümer im begründeten Einzelfall Ansprüche auf Unterlassung von Videoaufzeichnungen und damit verbundene Schadensersatzansprüche individuell geltend machen.
2 Normenkette
§ 14 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K verlangt von Wohnungseigentümer B sinngemäß die Unterlassung des Aufstellens von Kameras, mit denen der vor seiner Wohnung befindliche Flur aufgenommen wird; zugleich begehrt K die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Nachdem die Parteien sich verglichen und den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, legt das AG die Kosten K auf. Die Klage sei auf jeden Fall unzulässig gewesen.
4 Die Entscheidung
Dies sieht das LG anders! Zwar sei eine Entstörung des gemeinschaftlichen Eigentums eine Sache der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Um derartige Ansprüche gehe es K bei einer sachgerechten Auslegung der Klageanträge aber nicht. K habe eine Unterlassung der Aufnahme von Videos durch eine Überwachungsanlage angestrebt, die den Eingangsbereich seiner Wohnung betreffe. Es gehe um Videos von ihm, welche ihn beim Betreten und Verlassen der Wohnung und dem Aufenthalt im Flur zeigen. Derartige Ansprüche seien keine Ansprüche, die nach § 9a Abs. 2 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Ausübung übertragen seien. Der Abwehranspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts sei ein individueller Anspruch, welcher nur K zustehe. Gleiches gelte für den Schmerzensgeldanspruch bzw. den Anspruch auf Schadensersatz nach Art 82 DSGVO.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage der Entstörung des Sondereigentums. Formal scheint die Videokamera zwar das gemeinschaftliche Eigentum zu "stören". Der Sache nach will aber ein Wohnungseigentümer ungestört seine Wohnung erreichen. Es sollte möglich sein, dass er dafür kämpfen darf. Daher ist es wohltuend, dass das LG den Kampf als möglich ansieht. Der BGH hat es bei der Erschwerung des Zugangs zum Sondereigentum durch einen parkenden Laster allerdings möglicherweise anders gesehen.
Zu Art. 82 DSGVO hat der EuGH jüngst geklärt, dass der bloße Verstoß gegen die DSGVO-Regelungen keinen Anspruch auf Schadensersatz gibt.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Verwaltungen sollten solche und vergleichbare Entscheidungen aufmerksam beobachten, um den Streit moderieren zu können. Jenseits des Rechtlichen – hier ist vieles streitig, u. a. ob man eine Videoüberwachung sogar verlangen kann! – sollten Verwaltungen darauf hinwirken, innerhalb der Wohnungseigentumsanlage eine Videoüberwachung nicht zu dulden. Geht es nicht anders, sollte der Punkt auf einer Versammlung besprochen werden – gern unter Hinzuziehung eines Fachmannes.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 10.5.2023, 13 T 33/23