Leitsatz
Das OLG hatte sich mit dem Übergang von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger und den Voraussetzungen für eine schlüssige Darlegung eines zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs eines volljährigen behinderten Kindes als Voraussetzung des Anspruchsübergangs auseinanderzusetzen.
Sachverhalt
Die Kläger waren die Eltern einer im April 1970 geborenen Tochter, die in einer Behinderten-Wohnstätte lebte. Sie arbeitete in einer Werkstatt für behinderte Menschen und erhielt für diese Tätigkeit geringe Einkünfte von etwas über 100,00 EUR netto monatlich. Darüber hinaus bezog sie eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. knapp über 200,00 EUR monatlich. Außerdem wurden ihr von der Beklagten als Sozialhilfeträgerin, die auch die Kosten der Heimunterbringung trug, verschiedene Sozialleistungen gewährt.
Mit Rechtswahrungsanzeige vom 8.12.1994 hatte die Beklagte die Unterhaltsansprüche der Tochter gegen ihre Eltern nach § 94 SGB XII auf sich übergeleitet und von ihnen nach § 94 Abs. 2 SGB XII sowohl die Pauschale i.H.v. 26,00 EUR monatlich für Leistungen nach dem 6. und 7. Kapitel des SGB XII wie auch von 20,00 EUR monatlich für Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII begehrt. Die erstgenannte Pauschale entrichteten die Kläger regelmäßig, die weitergehende Forderung in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt stellten sie in Abrede und vertraten die Auffassung, ihrer Unterhaltsverpflichtung ggü. ihrer behinderten volljährigen Tochter in vollem Umfang zu genügen. Die Kläger haben beantragt, festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sind, weiteren Unterhalt i.H.v. 20,00 EUR monatlich ab Januar 2006 an die Beklagte zu zahlen.
Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, da die Beklagte der Tochter den Barbetrag als weiteren notwendigen Lebensunterhalt nach § 35 Abs. 2 SGB XII für ihre den Eingliederungshilfebedarf übersteigenden persönlichen Bedürfnisse gewähre, seien die Eltern zum Ausgleich beider Pauschalen des § 94 Abs. 2 SGB XII, somit zur Zahlung von insgesamt 46,00 EUR monatlich verpflichtet.
Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt. Ihr Rechtsmittel war erfolgreich.
Entscheidung
Hinsichtlich des Beschwerdewertes verwies das OLG darauf, dass gemäß § 9 ZPO der 3 1/2-fache Jahreswert der wiederkehrenden Leistungen maßgeblich sei. Das Rechtsmittel der Kläger sei somit statthaft und führe auch in der Sache zum Erfolg. Der Beklagten stehe aus übergegangenem Recht ein Anspruch auf Unterhalt der behinderten, volljährigen Tochter der Kläger nach §§ 1601 ff. BGB i.V.m. § 94 SGB XII nicht zu.
Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe einen auf sie nach § 94 SGB XII übergegangenen Unterhaltsanspruch der Tochter ggü. ihren Eltern nicht schlüssig dargetan. Sie habe nicht einmal den unterhaltsrechtlichen Bedarf der Tochter nachvollziehbar und bezogen auf den Verlauf des streitgegenständlichen Zeitraums dargelegt. Zwar richte sich dieser Bedarf eines in einer stationären Einrichtung untergebrachten Unterhaltsberechtigten grundsätzlich nach den durch die Heimunterbringung anfallenden Kosten zzgl. eines angemessenen Barbetrages zur persönlichen Verfügung (vgl. BGH FamRZ 1986, 48; BGH, FamRZ 2004, 1370; OLG Oldenburg FamRZ 1996, 625). Im vorliegenden Fall erscheine es jedoch bereits fraglich, ob die seitens der Beklagten an den Heimträger erbrachten Leistungen in vollem Umfang einen Unterhaltsbedarf der Betreuten darstellten.
Jedenfalls fehle es an einer schlüssigen Darlegung des den Unterhaltsbedarf teilweise deckenden eigenen Einkommens der Leistungsberechtigten. Dem Feststellungsbegehren der klagenden Eltern sei daher stattzugeben.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Urteil vom 23.07.2009, 9 UF 61/08