Leitsatz

Mit Urteil eines Stadtgerichts der Republik Ungarn vom 26.11.2001 wurde der Antragsgegner als Vater der im Jahre 1995 geborenen Antragstellerin festgestellt und verurteilt, rückwirkend ab 1.1.1998 Unterhaltszahlungen zu leisten. Das AG Leipzig erklärte mit Schluss vom 30.5.2005 das Urteil im Unterhaltsausspruch in Deutschland für vollstreckbar. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am 10.6.2005 zugestellt.

Hiergegen legte der Antragsgegner fristgemäß Widerspruch beim AG Leipzig ein und fügte einen Beschluss vom 24.11.2004 bei, wonach an diesem Tage ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden war. Mit weiterem Schreiben stellte er durch seinen Rechtsanwalt klar, dass sein Widerspruch als sofortige Beschwerde gewertet werden solle. Er begründete sein Rechtsmittel im Wesentlichen damit, das Urteil des ungarischen Stadtgerichts verstoße gegen den ordre public, da seine Vaterschaft ohne Abstammungsgutachten festgestellt worden sei. Das AG half der Beschwerde nicht ab. Auch beim OLG blieb das Rechtsmittel erfolglos.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Die Vollstreckbarkeit des Urteils des ungarischen Stadtgerichts vom 26.11.2001 richtet sich nach dem HUÜ 1958 (Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958, BGBl. II 1961, 1005). Die Bundesrepublik Deutschland ist diesem Übereinkommen am 18.7.1961, die Republik Ungarn am 19.12.1964 beigetreten. Das Verfahren ist geregelt durch das Ausführungsgesetz vom 18.7.1961 (BGBl. I 1961, 1033) in der durch Art. 2 § 8 des SchiedsVfG vom 22.12.1997 (BGBl. I 1997, 3234, 3235 geltenden Fassung. Danach unterliegt der vom AG Leipzig getroffene Beschluss vom 30.5.2005 der sofortigen Beschwerde.

Gemäß Art. 2 des HUÜ 1958 sind Unterhaltsentscheidungen, die in einem der Vertragsstaaten ergangen sind, ohne Nachprüfung ihrer Gesetzmäßigkeit anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären, wenn die entscheidende Behörde zuständig war, dem Antragsgegner durch Zustellung der Klageschrift rechtliches Gehör eingeräumt wurde und die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist. All diese Voraussetzungen liegen vor.

Gemäß Art. 2 Nr. 5 HUÜ 1958 ist eine Anerkennung ausgeschlossen, wen die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich unvereinbar ist. Die ausländische Entscheidung ist grundsätzlich in materieller Hinsicht nicht nachprüfbar, der ordre public-Vorbehalt muss auf krasse Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Maßgeblich ist, ob das in Anwendung des ausländischen Rechts gefundene Ergebnis im konkreten Fall dem Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutschen Vorstellungen untragbar erscheint (BGH v. 21.4.1998 - XI ZR 377/97, BGHZ 38, 331 [334] = MDR 1998, 917; OLG Dresden, Beschl. v. 30.11.2000 - 10 UF 542/00; Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 328 Rz 152b).

Dieser Grundsatz gilt auch für das Verfahrensrecht. Nur wenn das erststaatliche Verfahren mit grundlegenden Verfahrensmaximen des deutschen Prozessrechts unvereinbar ist, kann der ausländischen Entscheidung die Anerkennung verweigert werden.

Die Vaterschaftsfeststellung ist im vorliegenden nicht unmittelbar Gegenstand der Vollstreckbarkeitserklärung, sie ist jedoch als dem Unterhaltsanspruch vorgreiflich inzident zu prüfen. In einem nach deutschem Recht vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten Kindschaftsverfahren müssen im Regelfall ein Blutgruppengutachten und eventuell weitere zur Überzeugungsbildung notwendige medizinische Gutachten eingeholt werden (BGH FamRZ 1997, 49; FuR 2000, 260).

Auch das ungarische Stadtgericht hat sich hierum bemüht. Der Antragsgegner war jedoch nicht kooperativ und ist zur Blutentnahme nicht erschienen. Es hätte nur die Möglichkeit bestanden, die für ein Abstammungsgutachten notwendige Blut- oder Speichelprobe im Wege der Rechtshilfe zu erlangen, da der Antragsgegner sich außerhalb des Hoheitsgebiets der Republik Ungarn aufhielt. Das ungarische Stadtgericht hat ein Rechtshilfeersuchen nicht in die Wege geleitet. Gleichwohl folgt hieraus nicht, dass sein Urteil in einem solchen Maße von Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts abweicht, dass es nach der deutschen Rechtsordnung als nicht in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Auch nach deutschem Recht ist es ausnahmsweise möglich, eine Vaterschaft ohne Gutachten festzustellen, wenn sich der beklagte Mann einer Begutachtung ausdrücklich entzieht (BGH v. 9.4.1986 - IVb ZR 27/82 in FamRZ 1986, 663).

Aus diesem Grunde ist nach einhelliger Auffassung der Rechtsprechung der deutsche ordre public nicht verletzt, wenn eine ausländische Vaterschaftsfeststellung allein auf der Aussage der Mutter beruht.

Die Vollstreckbarkeitserklärung rechtskräftiger ausländischer Entscheidungen ist notwendige Voraussetzung der Zwangsvollstreckung im Inland...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge