Leitsatz
Das OLG Saarbrücken hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, wann von einer Verwirkung rückständigen Kindesunterhalts gemäß § 242 BGB auszugehen ist, wenn dieser über längere Zeiträume nicht geltend gemacht wurde, obgleich ein Vollstreckungstitel vorlag.
Sachverhalt
Geschiedene Eheleute hatten im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens am 27.9.2002 einen Vergleich geschlossen, worin der Kindesvater sich u.a. verpflichtete, ab September 2002 Kindesunterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder i.H.v. 150 % des Regelbetrages unter Anrechnung des jeweiligen staatlichen Kindergeldes zu zahlen.
Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 28.7.2009 wandte sich die geschiedene Ehefrau an den Ehemann und errechnete aufgelaufene Unterhaltsrückstände bis Juli 2009 i.H.v. 6.441,00 EUR. Dabei wies sie darauf hin, dass sich der Unterhalt von Juli 2003 bis Juni 2005 um jeweils 20,00 EUR monatlich erhöht habe. In der Folgezeit einigten sich die Verfahrensbevollmächtigten beider Parteien darauf, dass Unterhaltsrückstände bis einschließlich Juli 2009 i.H.v. 6.000,00 EUR aufgelaufen seien und die laufende Unterhaltsverpflichtung ab August 2009 für bei Kinder insgesamt 708,00 EUR betrage. Im Übrigen teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Ehemannes mit Schreiben vom 11.9.2009 mit, dass der Antragsteller ab Oktober 2009 Unterhalt i.H.v. monatlich je 401,00 EUR zahlen werde. Außerdem teilte er mit, dass entsprechend der getroffenen Vereinbarung 6.000,00 EUR auf den rückständigen Unterhalt bis zum 15.9.2009 überwiesen werden würden und mit der Zahlung dieses Betrages sämtliche Ansprüche für die Vergangenheit abgegolten seien.
Mit Schriftsatz vom 28.9.2009 machte die Antragsgegnerin für die Zeit von Januar 2003 bis November 2003 weitere Unterhaltsrückstände i.H.v. 3.530,00 EUR geltend mit der Begründung, dass der Antragsteller in dieser Zeit sämtliche Unterhaltszahlungen eingestellt habe, so dass sich nicht nur hinsichtlich der eingetretenen Unterhaltserhöhung Rückstände eingetreten seien.
Nach längerer Korrespondenz hat der Antragsteller am 12.1.2009 beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem am 27.9.2009 vor dem AG geschlossenen Vergleich für die Zeit von Januar 2003 bis November 2003 für unzulässig zu erklären.
Die Antragsgegnerin hat Zurückweisung des Antrages beantragt.
Das AG hat die Vollstreckung aus dem Vergleich vom 27.9.2009 für die Zeit von Januar 2003 bis November 2003 für unzulässig erklärt.
Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Ihr Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das OLG ging davon aus, dass der Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt für den maßgeblichen Zeitraum von Januar 2003 bis November 2003 erloschen sei.
Es könne dahinstehen, ob der von den Beteiligten im August/September 2009 abgeschlossene Vergleich die hier in Rede stehenden Unterhaltsansprüche umfasst habe. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Vergleich noch Bestand habe oder von der Antragsgegnerin wirksam angefochten worden sei.
Jedenfalls wären noch offene Unterhaltsansprüche aus dem Jahre 2003 verwirkt und könnten daher nicht mehr geltend gemacht werden (§ 242 BGB).
Das OLG schloss sich insoweit der Rechtsprechung des BGH an, wonach ein Anspruch dann verwirkt sei, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend mache (sog. Zeitmoment), obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich auch darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch zukünftig nicht mehr geltend machen (sog. Umstandsmoment).
Dabei seien bei Unterhaltsansprüchen an das Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen, weil von einem Unterhaltsgläubiger zu erwarten sei, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemühe, wobei der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit besondere Beachtung finde. Diese Erwägungen hätten nach Auffassung des BGH auch Geltung für titulierte Unterhaltsansprüche (BGH, FamRZ 2004, 531; vgl. auch Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 6 Rz. 139, jeweils m.w.N.). Aus den vorgenannten Gründen seien die streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche verwirkt. Das Zeitmoment sei vorliegend zweifellos erfüllt. Dasselbe gelte für das Umstandsmoment, das bei einer wie hier titulierten Forderung bereits dann zu bejahen sei, wenn keine Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden seien, obwohl eine Vollstreckung möglich gewesen wäre.
Es sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin keine Vollstreckungsversuche gegen den Antragsteller wegen der hier in Rede stehenden Unterhaltsansprüche unternommen habe, nachdem dies selbst von ihr nicht behauptet werde. Sie trage hierzu lediglich vor, dass sie dem Antragsteller mit Eintritt des Zahlungsverzuges immer wieder zur Zahlung aufgefordert habe. Vollstreckungsmaßnahmen seien hierin gerade nicht zu sehen.
Auc...